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Eine logistische Herausforderung: 39 Prozent der Kunden wollen Umfragen zufolge Bestellungen am selben Tag geliefert bekommen.

Foto: Reuters / John Sommers II

Wien – 56 Prozent der Österreicher wollen ihre Online-Einkäufe auch samstags zugestellt bekommen, 39 Prozent am liebsten noch am Tag der Bestellung. Lieferungen abends oder nachts wünschen sich zwölf Prozent – das wäre bis vor kurzem noch völlig undenkbar gewesen, sagt Harald Gutschi, Geschäftsführer der Unito-Gruppe in Österreich inklusive des Otto Versands. Der Konzern hat Einkaufsvorlieben seiner Kunden abgefragt und sieht die letzte Meile zu ihnen zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil im Kampf um Umsätze werden. "Denn es rollt eine gigantische Flut an Packerln auf die österreichischen Haushalte zu."

Gut jeder sechste Euro im Handel wird heuer online ausgegeben, Lebensmittel nicht miteingerechnet. Bei Textilien ist es bereits jeder fünfte, im Elektrogeschäft jeder dritte Euro. In fünf bis sieben Jahren werde der Anteil im Non-Food-Bereich auf etwa 30 Prozent steigen, prognostiziert Gutschi. Es sei "die dritte Revolution im Handel" – nach der Filialisierung und dem Einstieg der Diskonter.

Niemand will zahlen

Bereit, für rasche Lieferung zu bezahlen, seien die Kunden nicht, sagt Gutschi. Das wären sie nur bei außergewöhnlichen Services. Alles, was länger als zwei Tage bis hin zu ihnen brauche, schade dem Geschäft. Probleme mit säumigen Zahlern sieht er im Onlinehandel nicht: Nur ein, zwei Prozent des Umsatzes fielen in der Regel aus, obwohl sein Konzern zu mehr als 90 Prozent auf offene Rechnung liefere. Der Anteil der Retouren sei zuletzt um ein bis zwei Prozentpunkte gesunken. Quer durchs gesamte Sortiment liege er bei rund 35 Prozent – bei Textilien gehe er auf bis zu 50 Prozent hinauf.

Im Web bestellte Lebensmittel schicken Kunden praktisch nie retour, sagt Markus Böhm, Chef der Handelsgruppe Pfeiffer, der wie Gutschi auf die Initiative des Handelsverbands hin Bilanz über seine Online-Erfahrungen zog. Pfeiffer stellt seit kurzem Lebensmittel österreichweit zu, verbucht 50 bis 100 Order am Tag, mit einem Einkaufswert von im Schnitt 65 Euro. An den Umsatz einer stationären Filiale reicht das noch lange nicht heran. Von Anfang an dabei sein, will man dennoch – auch wenn sich die Investitionen ins Onlinegeschäft wohl erst in fünf Jahren rechnen werden, vermutet Böhm.

Neun Millionen Pakete retour

Bei Österreichs Post machen die Aufwendungen für das Onlinegeschäft 20 bis 30 Prozent der jährlichen Infrastrukturkosten aus. Im Vorjahr liefen 95 Prozent der Retouren über die Post – in Summe neun Millionen Pakete, die zu 80 Prozent mit Bekleidung bestückt waren. Seit Juli übt sich der Konzern im Wettlauf mit der wachsenden Konkurrenz in der Samstagszustellung. Kunden können zudem Wunschtage für Lieferungen definieren, wie Logistik-Vorstand Peter Umundum erläutert.

Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will sieht in Österreich rund 80.000 Jobs im Handel vom Umbruch im Einkaufsverhalten betroffen. Ein Teil der Stellen gehe sicher verloren, viele veränderten sich aber hin zu Lager und Logistik. Entscheidend sei es, zu verhindern, sagt Will, dass weiterhin mehr als die Hälfte der Onlineumsätze ins Ausland abfließen.

Stationäre Verkaufsflächen seien seit dem zweiten Halbjahr 2013 rückläufig, sagt Gutschi. Er glaubt, dass Einkaufszentren und Fachmärkte bestehen bleiben. "B- und C-Lagen werden aber dramatisch an Geschäften verlieren." (vk, 28.8.2015)