Das Material, mit dem Archäozoologen arbeiten.

Foto: Gerald Weissengruber/Vetmeduni Vienna

Wien/Ephesos – Seit 120 Jahren graben österreichische Archäologen in den Überresten der antiken griechischen Metropole Ephesos auf dem Gebiet der Türkei. Dabei werden auch zahlreiche Fundobjekte tierischer Herkunft zutage befördert, die wertvolle Informationen zum damaligen Alltag liefern. Die Veterinärmedizinische Universität Wien und das Österreichische Archäologische Institut haben nun das "BoneLab Ephesos" im Grabungshaus eröffnet.

Die Region um die antike Stadt Ephesos an der heutigen türkischen Westküste blickt auf eine bis zu 9.000-jährige Siedlungsgeschichte zurück. In der Antike war Ephesos eine der wichtigsten griechischen Städte und beherbergte den zu den sieben Weltwundern zählenden Artemis-Tempel.

Funde von Haus- und Wildtieren

Archäozoologen der Veterinärmedizinischen Universität untersuchen seit Anfang der 1990er-Jahre Funde tierischen Ursprungs in Ephesos. In der ursprünglich am Meer gelegenen Stadt fanden und finden sich nicht nur Überreste von Haus- und Wildtieren, sondern auch von Meerestieren. Der Bogen spannt sich dabei von landlebenden Säugetieren, Vögeln, Amphibien, Reptilien und Schnecken über Fische bis hin zu Meerestieren wie Tintenfischen oder Muscheln.

Das nun neu eingerichtete Knochenlabor beherbergt die nach Angaben der Wissenschafter größte wissenschaftliche Sammlung von Knochen und Molluskenschalen in der Türkei. "Wir haben Hunderte vollständige Skelette von Säugetier-, Vogel- und Fischarten als Referenzobjekte", sagte Gerhard Forstenpointner vom Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie der Vetmeduni. Diese helfen den Wissenschaftern, die tierischen Funde zu identifizieren, selbst wenn diese stark fragmentiert sind.

Einblicke in das antike Leben

Den Forschern geht es nicht nur darum herauszufinden, welche Tiere wann gelebt haben, "uns interessiert vor allem, wie Tiere damals genutzt, gehalten oder bejagt wurden", erklärte Forstenpointner. Wichtige Forschungsfragen betreffen auch die Ernährungsweise – wie Tiere zerlegt wurden und welche Teile für den Verzehr in Frage kamen, aber auch ihre Rolle im Opferkult interessiert die Wissenschafter.

Welche Tiere etwa im Tempel der Artemis, einer weit über die Grenzen Kleinasiens hinaus bekannten Opferstätte, geopfert und welche Körperteile dafür verwendet wurden, liefere Hinweise über bestimmte Riten und soziale Strukturen. Die Forscher sind aber auch schon auf Tierarten gestoßen, die heute in Kleinasien gar nicht mehr vorkommen, beispielsweise den Zander.

In den zwischen 1960 und 1985 ausgegrabenen antiken Luxuswohnungen, den sogenannten Hanghäusern, zeigten darin gefundene tierische Überreste, "dass die damals zubereiteten Speisen reichhaltig und vom Feinsten waren", sagte Forstenpointner. Zubereitet wurde das zarte Fleisch von Jungtieren, darunter auch vom Schwein, das damals als besonders exklusives Speisetier galt. Auch Meerestiere wie Austern, Meeresschnecken, Lippfische oder Zackenbarsche waren beliebt.

Bereicherung der wissenschaftlichen Infrastruktur

Das neu eingerichtete "BoneLab Ephesos" bietet nicht nur mehr Platz und verbesserte Lagerbedingungen für Knochensammlungen, sondern ist auch groß genug, um Gastforscher und Studenten, insbesondere aus der Türkei, einbinden und Ausbildungskurse und Workshops anbieten zu können. Das Labor sei ein wichtiger Schritt, die umfangreiche Referenzsammlung zu erhalten und für die wissenschaftliche Auswertung zu nutzen, erklärte Sabine Ladsstätter, Grabungsleiterin in Ephesos und Direktorin des Österreichischischen Archäologischen Instituts (ÖAI). (APA/red, 28. 8. 2015)