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Der Volkstribun in seinem Element: Auch Jahre nach dem Ende seiner Präsidentschaft genießt Luiz Inácio Lula da Silva viel Popularität.

Foto: EPA / Sebastiao Moreira

Die Szenerie ist perfekt gewählt. Luiz Inácio Lula da Silva steht auf der Bühne und breitet die Arme aus. "Ich wollte mich auf meine Pension vorbereiten, aber meine Gegner ließen mich nicht", fängt der 69-jährige Linkspolitiker an. "Man kann einen Vogel nur töten, wenn er nicht fliegt", ruft er kämpferisch in den Saal, "deshalb fliege ich wieder!"

Die letzten Worte gehen im Jubel fast unter. Lula ist in seiner Heimat, der Arbeiterstadt São Bernardo do Campo im Bundesstaat São Paulo. Hier begann vor mehr als 40 Jahren die politische Karriere des Metallarbeiters und Gewerkschaftsfunktionärs. Und hier kündigt er viereinhalb Jahre nach Ende seiner Präsidentschaft sein politisches Comeback an. Die vergangenen Jahre habe er keine Interviews gegeben und sich kaum politisch geäußert. Aber jetzt sei er bereit, "den Leuten wieder Unannehmlichkeiten" zu bereiten, sagt Lula selbstbewusst.

Seine Rede ist ein Paukenschlag und zeigt die dramatische Situation von Präsidentin Dilma Rousseff: Viele hatten spekuliert, dass sich ihr Vorgänger aufgrund der gegen ihn laufenden Ermittlungen politisch zurückhält. Doch das Gegenteil ist der Fall: Emsig organisiert Lula Unterstützungskampagnen für seine Nachfolgerin. Er will die Regierung vor dem Fall retten – uns sein politisches Erbe.

Seit mehr als einem Jahr lähmt ein Korruptionsskandal um den staatlich kontrollierten Ölkonzern Petrobras die brasilianische Politik. Gegen Rousseff wird zwar nicht ermittelt, aber gegen mindestens 80 hochrangige Politiker ihrer Regierungskoalition. Auch Lula wird vorgeworfen, für den Bauunternehmer Odebrecht Geschäfte angebahnt zu haben. Die Popularitätswerte von Rousseff sind im Keller, und bei Massendemonstrationen im ganzen Land forderten vor zwei Wochen rund 800.000 Menschen die Amtsenthebung der Staatschefin.

"Unsichtbare Präsidentin"

Das Verhältnis von Lula und Rousseff galt lange als angespannt. Volkstribun Lula hielt Rousseff vor, sich im Präsidentenpalast zu verschanzen und die sozialen Erfolge ihrer Regierung schlecht zu verkaufen. Öffentlich kritisierte er die "unsichtbare Präsidentin", wie Rousseff von brasilianischen Medien wiederholt genannt wurde.

Doch jetzt scheinen sich die Amtsinhaberin und ihr Ziehvater wieder zusammengerauft zu haben. Gemeinsame Veranstaltungen sind im ganzen Land geplant. Dabei soll die oft unterkühlt wirkende Rousseff von Lulas Charisma profitieren und wieder den Kontakt zur eigenen Anhängerschaft finden. Für die schlechten Umfragewerte macht Lula vor allem die konservativen Medien verantwortlich – und nicht die Fehler der Regierung.

Sogar eine Kandidatur für das Präsidentenamt schließt Lula, der 2011 eine Krebserkrankung überstanden hat, nicht mehr aus. "Ich habe breite Schultern und in meinem Leben schon einiges ausgehalten", gibt er sich entschlossen.

Und auch Rousseff zeigte sich in den vergangenen Tagen kämpferisch wie selten in den Wochen zuvor. "Ich werde niemals aufgeben, niemals!" (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 30.8.2015)