Brasiliens Ex-Staatschef und Volksikone Luiz Inácio Lula da Silva kündigt überraschend seine Rückkehr in die Politik an und zeigt damit, wie verzweifelt die Lage der Mitte-links-Regierung unter seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff ist. Wirtschafts- und Korruptionskrise lähmen das Land, Inflation und Arbeitslosigkeit steigen. Aus dem einstigen Boomland ist ein Sorgenkind geworden. Es scheint, als ob nicht einmal der 69-jährige Lula seiner Nachfolgerin eine Kurskorrektur zutraut. Zu zaghaft und defensiv begegnete sie in den vergangenen Monaten allen Forderungen nach einem Amtsenthebungsverfahren. Ihren Gegnern lieferte sie damit nur weitere Munition.

Die Erfolge von zwölf Jahren Regierung unter der von Lula mitgegründeten Arbeiterpartei PT stehen auf dem Spiel. Während seiner Amtszeit (2003–2011) schafften dank umfangreicher Sozialprogramme 20 Millionen Brasilianer den Ausstieg aus der Armut. Sie gehören zu den treuesten Anhängern des Expräsidenten, der selbst als Kind gehungert hat.

Doch es sind auch diese Brasilianer, die von der Krise als Erste getroffen werden. Das politische Lebenswerk des ehemaligen Gewerkschafters droht zu zerfallen. Jetzt schreitet Lula ein und startet seine eigene Kampagne. Sogar eine Rückkehr in den Präsidentenpalast 2018 kann er sich vorstellen. Und Rousseff? Ihr bleibt nur ein Platz in den Zuschauerreihen. Sie wurde de facto entmachtet. (Susann Kreutzmann, 30.8.2015)