Bereits im Kleinkindalter kommen Kinder mit der digitalen Welt in Kontakt.

Vor einem Jahr preschte eine Gymnasiallehrerin aus Villach vor. Alice Strauss wandte sich mit der Bitte an den Nationalrat, an öffentlichen Schulen Handys zu verbieten. Ebenso wollte Strauss eine verpflichtende Übung zum Thema "Umgang mit neuen Medien" durchsetzen. Denn die Situation verschlimmere sich von Jahr zu Jahr, beklagte die Pädagogin. "Die Kinder spielen gewaltverherrlichende Spiele. Dass sie sich Nacktbilder schicken, ist auch schon üblich", rechtfertigte sie ihre Bürgerinitiative in einem Interview.

Ihr Antrag wurde abgelehnt. Dennoch sehen Experten und Expertinnen Handlungsbedarf. "Ich fordere schon seit 15 Jahren, dass Schulen ein Fach wie Medienkompetenz brauchen. In dem Fach sollten Kinder nicht nur die technische Komponente vermittelt bekommen, sondern auch lernen, wie sie sich im Netz schützen können", sagt die Medienwissenschafterin Petra Grimm von der Hochschule der Medien in Stuttgart.

Cybermobbing in Volksschulen

Laut einer Umfrage vom Jänner 2013, die von der EU-Initiative Saferinternet durchgeführt wurde, benützen 41 Prozent aller Drei- bis Sechsjährigen das Internet regelmäßig. Heute ist die Zahl womöglich schon höher. Spielerisch wächst die jüngste Generation mit den neuen Technologien auf und mimt den Medienkonsum der Eltern. Zahlreiche Kinder besitzen bereits in der zweiten Klasse Volksschule ein eigenes Smartphone.

Eine aktuelle Umfrage des Onlineelternratgebers "Schau hin" besagt, dass jede zehnte Schultüte mit einem Handy ausgestattet ist. Immer häufiger melden Volksschulen damit einhergehende Probleme. Aus Übermut oder Ahnungslosigkeit werden beispielsweise in Whatsapp-Gruppen Kinder in einer Klasse gemobbt, ratlose Pädagogen und Pädagoginnen wenden sich an den Verein Saferinternet, eine Vorstufe zum Cybermobbing entsteht.

Ängstigende Suchbegriffe

"Es gibt verschiedenste Konfliktherde im Netz", sagt Grimm. Denn da Kinder auch mit Smartphones ins Netz gehen könnten, sei der Zugang zu problematischen Inhalten wesentlich leichter geworden. Inhalte, die möglicherweise für Kinder nicht geeignet sind. Inhalte, die Kinder überfordern. "Ein aktuelles Beispiel sind terroristische Bilder. Wenn Kinder mit solchen Kriegsbildern in Kontakt kommen, kann sie das sehr ängstigen", sagt Grimm.

Die pädagogische Leiterin von Saferinternet, Barbara Buchegger, plädiert deshalb dafür, dass Erwachsene gemeinsam mit Kindern die ersten Schritte im Internet machen: "Das Kind muss sich zu helfen wissen, wenn es sich in problematische Situationen hineingeritten hat." Beispielsweise verschreckt es Kinder, wenn sie unter dem Suchbegriff "Mädchen" auf Bilder von Nackten stoßen. "Die Kinder sollen über ihre Eindrücke reden können. Eltern sollen ihnen erklären, warum ihnen das Gesehene keine Angst machen muss. Es macht keinen Sinn, mit Kindern in solchen Fällen zu schimpfen."

Horrorbriefe

Als besonders ängstigend empfinden vor allem jüngere Kinder Kettenbriefe, die derzeit in Volksschulen wieder eine Konjunktur erlebten, diesmal aber nicht altmodisch per Brief, sondern via Whatsapp. "Es sind ganz grausige Kettenbriefe unterwegs, wo gedroht wird, dass die Familienangehörigen sterben könnten, wenn man den Brief nicht weiterleitet. Oder es wird geschrieben, dass ein grausiges Monster um Mitternacht auftaucht. Das macht Kindern wirklich unglaubliche Angst", erklärt Buchegger. Auch Pornografie ist bereits in der Volksschule ein Thema. 2009 war bei den Acht- bis Zwölfjährigen "Sex" der am vierthäufigsten verwendete Suchbegriff im Internet. An elfter Stelle rangierte laut der deutschen "Dr.-Sommer-Studie 2009" der Begriff "Porn".

"Es ist zweifelsohne so, dass viele Eltern die Gefahren im Internet noch unterschätzen. Nach dem Motto: Meinem Kind kann nichts passieren. Es sitzt ja zu Hause in seinem Kinderzimmer am Computer", sagt Buchegger. Doch diese Einschätzung ist weit gefehlt: Cybermobbing, Sexting, Happy Slapping sind nur drei gefahrenbesetzte Trends, mit denen Kinder im Internet täglich konfrontiert werden können. Abgesehen davon, dass Minderjährige sich inzwischen auf Plattformen wie dem Live-Streaming-Dienst Younow tummeln, die ihre Privatsphäre in einer neuen Dimension einschränken – ohne sich der potenziellen Folgen bewusst zu sein. Kinder filmen sich auf dieser Plattform und senden in Echtzeitvideos aus dem Kinderzimmer in die ganze Welt. Ihre Performance wird zeitgleich von anderen Usern beurteilt.

Digital Natives

Generell stellt der rasante technische Fortschritt ein Problem für Eltern dar. Denn auch jene, die früh mit dem Internet in Kontakt gekommen sind, überfordert die Mediennutzung ihres Kindes. Für Buchegger ist der Begriff "Digital Natives" ein Mythos. Durch den raschen Fortschritt gebe es immer eine Kluft zwischen den Generationen. Fakt ist: Viele Eltern wissen nicht, was ihr Kind im Internet macht. Eine Kontrolle der Sprösslinge in den Weiten des Internets ist nahezu unmöglich.

"Eltern können nicht mehr so wie früher den Mediengebrauch ihrer Kinder kontrollieren, als der Computer im Wohnzimmer oder Arbeitszimmer stand. Kinder können zu jeder Zeit und an jedem Ort ins Internet gehen", sagt Grimm. Da die Beaufsichtigung des Kindes nicht mehr in der Form wie früher möglich ist, sei es wichtig, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Altersgerechte Suchmaschinen

Ebenso wie in der realen Welt gilt es auch in der virtuellen, Grenzen für Kinder abzustecken. "Kinder sollen wissen, wie sie mit unpassenden Inhalten umgehen, wie viel sie von sich auf Social-Media-Plattformen preisgeben dürfen und wann sie das Urheberrecht verletzen", sagt Buchegger. Dennoch sollen Eltern das Internet nicht per se verteufeln. Denn dieses bietet auch viele Möglichkeiten. Daher stehen Eltern vor der Herausforderung, ihre Kinder in der digitalen Welt gut zu begleiten und zu erziehen.

Für kleine Kinder empfehlen Experten und Expertinnen Kindersuchmaschinen wie "Blinde Kuh", "Frag Finn" und "Helles Köpfchen". Diese Suchmaschinen leiten Kinder zu Angeboten weiter, die altersgerechte Informationen enthalten. "Man sollte Kinder nicht vor den digitalen Medien fernhalten. Das ist, denke ich, auch nicht das Ziel einer medienpädagogischen Arbeit. Aber wichtig ist es, dass man diese Kulturtechnik gemeinsam erlernt", schlussfolgert Grimm. (Sophie-Kristin Hausberger, 2.9.2015)


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