2013 erhielt Peter Fritzenwallner den Performancepreis: "Doesn't anyone ever interrupt my monologue?"
2015 geht die Auszeichnung an Julia Marx: Die Kunst des Aufgebens.

Ansichtssache: Momente aus zehn Jahren Kunstraum Niederösterreich

Foto: eSel.at/Lorenz Seidler

Schätzt im Kunstraum den Teamgeist: Christiane Krejs.

Krejs, 1956 in St. Pölten geboren, studierte Kunstgeschichte und Romanistik in Wien und Salzburg. Die Kuratorin für Gegenwartskunst leitet seit 2011 die Artothek, seit 2005 den Kunstraum des Landes Niederösterreich.

Foto: Andy Urban

Wien – Am Anfang war die Blau-Gelbe Galerie. Aber 1996, kurz bevor die niederösterreichische Landesregierung nach St. Pölten übersiedelte, sperrte der Ausstellungsraum mit Fokus auf Gegenwartskunst aus Österreichs größtem Bundesland zu. Dann kam lange nichts. Erst 2005 – vor nun also zehn Jahren – sperrte in der einstigen Kantine im ehemaligen Landhaus in der Herrengasse 13 der Kunstraum Niederösterreich auf: jung, offen, experimentierfreudig, gattungsübergreifend, so die Selbstbeschreibung.

Die Doktrin „Kunst aus Niederösterreich“ legte man ad acta. „Das geht nicht mehr“, so Leiterin Christiane Krejs. Künstler haben heute ein Stipendium in China, sind morgen für einige Wochen in Frankreich: Man lebt nicht mehr in einer einzigen Region. Einzigartig ist allerdings der H13-Performancepreis ("H13 Niederoesterreich Preis für Performance"), den man seit 2007 – und am Donnerstag wieder – vergibt: Er ist hierzulande der einzige seiner Art.

STANDARD: Sein Jubiläum begeht der Kunstraum mit der Verleihung des H13-Performancepreises an Julia Marx. Ihre Performance thematisiert den Ausstieg aus der Kunst. Ist das als Signal nicht zu pessimistisch für eine Geburtstagsfeier?

Krejs: Pessimistisch sollte es nicht klingen; Schönfärberei betreiben wir allerdings auch nicht. Es entspricht unserer Linie, tagesaktuelle, gesellschaftskritische Themen aufzugreifen. Und die prekäre Situation für Künstlerinnen und Künstler ist aktuell. Insbesondere von Performancekunst kann man schwer leben. Es ist ein Medium, das schwer verkäuflich und daher selten in Galerien anzutreffen ist. Es sei denn als unterhaltsame, spannende Beigabe zu einer Vernissage.

STANDARD: Teil von Marx’ Performance sind verschiedene, teils bei Meret Oppenheim entlehnte Maximen. Etwa „Habe immer die Befürchtung, in Routine zu verfallen“ oder „Schiele nicht nach einer Schubladisierung. Überlass das dem Kunstmarkt“? Sind das auch Leitsätze für den Kunstraum?

Krejs: Punkte wie „Habe immer die Befürchtung in Routine zu verfallen“ kann ich auch vertreten. In einem kleinen Haus kann ich Routinen leichter vermeiden als in einem großen, das langfristiger planen muss. Der Kunstraum ist eben kein Museum, keine Kunsthalle, kein Offspace, aber auch keine kommerzielle Galerie. Er hat viel mehr die Möglichkeit, der Kunst Raum zu geben, und so kann man eben auch „Haken schlagen“ oder „Gegen einen Signature-Style arbeiten“. Und auch: „Hie und da verhängnisvoll sein“. Für Künstlerinnen und Künstler sind diese Maximen oft die Konsequenzen eigener Erfahrungen. Für ihre Authentizität kann es wichtig sein, nicht hineinzuversinken in diesen Marktterrorismus, der natürlich, wenn man obenauf schwimmen will, notwendig ist. Für die Weiterentwicklung kann es wichtig sein, nicht immer nach Wiedererkennbarkeit zu streben.

STANDARD: Apropos Entwicklung: Der Performance-Schwerpunkt kristallisierte sich auch erst später heraus. Warum Performance?

Krejs: Mit der Performance haben wir eine Linie gefunden, die wir intensivieren wollen. Dieser Bereich braucht eine öffentliche Institution – eine, die nicht nach Quoten schielt und nicht eingeschränkt ist durch kommerzielle Zwänge. Unsere Stärke ist, offen agieren zu können. Der Kunstraum soll noch mehr Experimentierfeld sein, etwa zur Frage, wo sich Kunst weiterentwickeln kann. Beim Finden neuer Wege darf hier auch etwas scheitern. Das Schöne am Nichtkommerziellen ist, sagen zu können: Okay, das war ein Holzweg.

STANDARD: Die absolute Flexibilität quasi als Charakteristikum?

Krejs: Flexibilität muss kein Charakteristikum sein, aber sie ist möglich. Wir werden nicht stocksteif bei der Performancekunst bleiben, wenn wir sehen, da gibt es keine Weiterentwicklung.

STANDARD: Der Kunstraum macht kein Programm für die Masse. Gibt es vom Land Rückendeckung für Kunst jenseits der Quote?

Krejs: Ja. Denn wir hatten eine ganze Reihe Performances, die große Wellen geschlagen haben. Jene von Dolce & Afghaner 2011 fand sich auf der Titelseite von Österreich wieder. Die Gruppe reagierte auf die FPÖ-Plakate „Daham statt Islam“ mit der Plakataktion „Hamam statt Daham“. Dass wir ihnen dafür einen Preis verliehen haben, sorgte für Aufregung. Der Boulevard titelte: „Niederösterreich verschleudert Steuergeld für Pisskünstler.“ Denn auf dem Plakat sah man die Karlskirche zur Moschee umgewandelt und zwei verschleierte Frauen, die in das Bassin am Karlsplatz pinkelten.

Schwierige Themen auch mit Humor aufzuarbeiten ist das, was mich an dieser politischen Kunst interessiert: dass es einen bewegt, ergreift oder zum Nachdenken bringt. So wie die Performance von Jakob Lena Knebl zum Thema (Trans-)Gender oder jene von Roberta Lima, die sich ihr Kleid auf den Leib gepierct hat.

Das waren alles relativ harte Dinge. Sie brauchen aber diese Stärke, um verstanden zu werden. Uns ist nicht an der Provokation um der Provokation willen gelegen. Aber wir wollen auch keine geschmeidige Kunst, denn die wird in genug Häusern gezeigt. Zu Dolce & Afghaner gab es sogar eine Landtagsanfrage. Ich musste eine Stellungnahme schreiben, die wurde verlesen und damit war die Sache erledigt.

STANDARD: Wird es weniger Ausstellungen geben, wenn nun Performancebereich und Vermittlungsprogramm intensiviert werden?

Krejs: Ja. Am Anfang waren es fünf bis sechs, jetzt sind es drei pro Jahr. Das hat auch Budgetgründe; wir arbeiten seit zehn Jahren mit derselben Summe. Aber wir wissen, wir können auch übernächstes Jahr über dieses Geld verfügen. Diese Sicherheit ist gravierend.

STANDARD: Die erste Ausstellung 2005 widmete sich dem Profil von Niederösterreich, die kommende thematisiert Digitalisierung und Überwachung. Symptomatisch für die Entwicklung des Kunstraums Niederösterreich?

Krejs: Die beiden Ausstellungen sind ein schönes Gegenüber. Wir fokussieren heute nicht mehr auf eine Region, werden breiter. Die nächste Schau, "Social Glitch", ist tatsächlich global gedacht. Es geht um das, was einem die Regionalität und die Anonymität raubt: dass man seinen digitalen Fingerabdruck überall drauf hat und einen weltweit jeder kennt. (Anne Katrin Feßler, 1.9.2015)