STANDARD: 2011 sind Sie nach München gezogen, seit kurzem haben Sie Ihren Lebensmittelpunkt wieder in Wien. Inwieweit unterscheidet sich die Birgit von damals von der Birgit von heute?

Birgit Minichmayr: Ich habe ein paar Jahre mehr auf dem Buckel. In den Jahren in München ist bei mir der Entschluss gereift, aus dem Ensemblevertrag auszusteigen, frei zu arbeiten. Wobei das nichts mit dem dortigen Theater zu tun hatte.

STANDARD: War das ein großer Schritt?

Minichmayr: Für mich, ja. Ich hätte mich das am Anfang der Karriere nicht getraut.

STANDARD: Das ist lange her, heute sind Sie eine der wichtigsten heimischen Schauspielerinnen.

Minichmayr: Trotzdem hat man auch finanzielle Bedenken. Es gibt Zeiten, in denen man keine Verpflichtungen hat. Ich wollte selbst über meine Zeit verfügen, die Priorität bei mir lassen, und damit geht es mir ganz gut.

Schwarzes Top und Rock Veronique Leroy, goldene Stiefel Petar Petrov.
Foto: Guenter Parth

STANDARD: Sie haben in Wien Ihre Karriere begonnen, sind dann nach Berlin, zurück nach Wien, dann München, jetzt wieder Wien. Sind die Wanderjahre der Birgit Minichmayr vorbei?

Minichmayr: Ich würde die Hand nie für mich ins Feuer legen. Ich traue mir zu, dass ich bald wieder abhaue.

STANDARD: Konkrete Pläne?

Minichmayr: Vielleicht wieder nach Berlin. Mich würde auch Brüssel interessieren. Aber zu Wien wird immer eine große Verbindung bleiben.

STANDARD: Zuletzt haben Sie an vier großen Bühnen gespielt, in München, Hamburg, Berlin und Wien. Haben Sie in Wien einen anderen Status als in anderen Städten?

Minichmayr: Ich habe hier eine andere Nabelschnur. Selbst wenn ich länger nicht da war, fühlt sich das alles sehr vertraut an. In Wien hat man ja auch eine ganz besondere Begeisterung für das Theater.

Birgit Minichmayr trägt einen Rock und eine Bluse von Petar Petrov und Stiefel von Dior.
Foto: Guenter Parth

STANDARD: Diese Theaterverzücktheit, gibt es die wirklich noch, oder ist das ein Mythos?

Minichmayr: Theater hat hier gesellschaftlich einen anderen Platz. Die Menschen wissen Bescheid. Man ist stolz auf das Burgtheater.

STANDARD: Hat die Finanzkrise am Burgtheater daran etwas geändert?

Minichmayr: Die Debatte ist jetzt vom Tisch, jetzt heißt es sparen. Natürlich war die Geschichte alles andere als glücklich. Es ist viel Porzellan zerschlagen worden. Ich bemerke, dass es untereinander noch viele Ressentiments gibt. Da gibt es jene, die für Hartmann waren, und jene, die gegen ihn waren. Da hat sich die Kluft noch nicht geschlossen. Das braucht wahrscheinlich noch etwas Zeit.

STANDARD: Erstmals in der Geschichte gibt es mit Karin Bergmann eine Frau als Burgtheaterdirektorin. Hat sich der Führungsstil verändert?

Minichmayr: Karin Bergmann ist eine wahnsinnig gewissenhafte Frau, das hat nichts mit weiblichem oder männlichem Stil zu tun.

STANDARD: Theater ist noch immer ein Hort alter Männer. Warum brechen da Strukturen so langsam auf?

Minichmayr: Warum die Frauen da nicht mehr vorkommen, verwundert in der Tat sehr. Ich möchte den Männern aber auch nicht unterstellen, dass sie das wissentlich verhindern. Ich erkläre mir das dadurch, dass Männer sehr viel besser vernetzt sind.

STANDARD: Ist das Theater ein Ort, an dem männliche Berserker gern gesehen werden? Man tut ja oft so, als ob das zum Theater einfach dazugehört.

Minichmayr: Ja, da gibt es in der Tat eine gewisse Tradition.

Birgit Minichmayr trägt ein Pailletten-Top von Dior, einen Rock von Prada, einen Mantel von Vivienne Westwood und Schuhe von Robert Clergerie.
Foto: Guenter Parth

STANDARD: Arbeiten Sie gerne mit starken Männern zusammen?

Minichmayr: Ich arbeite auch gern mit starken Frauen zusammen. Ich habe gerne mit Persönlichkeiten zu tun. Das ist mir lieber als Jasager. Mir ist es wichtig, eine Eigenständigkeit erlaubt zu bekommen, eine Mitverantwortung übernehmen zu können. Mir sind die komplizierten Leute lieber als die fleißigen.

STANDARD: In "John Gabriel Borkman" am Akademietheater spielen Sie eine alternde alkoholsüchtige Diva. Es ist die erste Rolle, die Sie nach längerer Zeit wieder in Wien spielen, und Sie wurden dafür frenetisch gefeiert. Man hat das Gefühl, dass die Rolle richtiges Schauspielfutter ist.

Minichmayr: Ja, Simon Stone (der Regisseur, Anm.) weiß, was Schauspieler mögen. Er schreibt den Text ja komplett neu, und er denkt dabei sehr stark an die Schauspieler. Es wird in diesem Stück immer nur von John Gabriel Borkman gesprochen, von den 18 Jahren, in denen er sich verschanzt hat. Aber was ist denn mit seiner Frau, mit Gunhild? Sie hat sich genau so fallengelassen. Der Regisseur hat aus ihr eine Alkoholikerin gemacht. Ich hatte Muffensausen davor, betrunken zu spielen.

STANDARD: Was ist das Schwierige, eine Alkoholikerin darzustellen?

Minichmayr: Man muss aufpassen, dass man nicht übertreibt. Wenn man zu viel lallt, hat man die Zuschauer gegen sich. Ich habe versucht, das Ganze in eine körperliche Schieflage zu übersetzen. Diese Gunhild wackelt die ganze Zeit, sie hat kein Gleichgewicht. Das zu spielen macht wahnsinnigen Spaß, das hat etwas Tragikomisches.

STANDARD: Muss man sich einen Vollrausch von Birgit Minichmayr ähnlich vorstellen wie jenen von Gunhild?

Minichmayr: Einen Vollrausch kenn ich, es hilft vielleicht zu wissen, wie man da drauf ist. Aber es geht im Theater um Fantasie, nicht um die Darstellung der Realität. Ich bin nicht so interessiert an Dokutheater, geschweige denn wäre ich betrunken auf der Probe erschienen.

Rock und Bluse sind von Petar Petrov, der Mantel ist von Etro, die Stiefel sind von Dior.
Foto: Guenter Parth

STANDARD: Sie sind bald auch wieder im Kino zu sehen, in der Jack-Unterweger-Verfilmung von Elisabeth Scharang. Was hatten Sie für ein Bild von Unterweger?

Minichmayr: Viel habe ich nicht gewusst von ihm: dass er sich umgebracht hat, dass sich Künstler für ihn eingesetzt haben. Die Geschichte von Jack Unterweger ist ein spektakulärer Krimimalfall, interessant ist die Tatsache, dass er ein sogenannter Häfenpoet war.

STANDARD: Können Sie die Faszination, die Unterweger ausgeübt haben muss, nachvollziehen? Er hat damals sowohl die Wiener Schickeria als auch die Medien vor sich hergetrieben.

Minichmayr: Ja, das hat er geschickt gemacht. Aber ich könnte mir nicht vorstellen, mich in einen Mann zu verlieben, der im Gefängnis sitzt.

STANDARD: Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass Sie auch ein Faible für böse Buben haben.

Minichmayr: Das stimmt. Ich stehe auf Männer, die man vielleicht als Machos bezeichnen könnte. Die Aussage hat sich damals aber auf Mike Patton bezogen, den ich als Sänger toll finde.

Das Kleid ist von Preen, der Armreif von Florian, die Schuhe sind von Robert Clergerie.
Foto: Guenter Parth

STANDARD: Haben Sie einen bestimmten Männertyp?

Minichmayr: Wenn man alle meine Beziehungen an einem Tisch versammeln würde, dann würde man nie denken, dass deren gemeinsame Schnittmenge ich wäre. Ich reagiere sehr intuitiv und impulsiv auf mein Begehren. Ich habe das nicht so in der Hand.

STANDARD: Kaum aus dem Gefängnis entlassen, hat sich Jack Unterweger zum Dandy stilisiert. Der weiße Anzug war sein Markenzeichen. Welchen Bezug haben Sie eigentlich zur Mode?

Minichmayr: Es ist wichtig, dass man seinen Körper kennt und weiß, was einem steht. Ich bin niemand, der im Bad eine Stunde braucht. Wie ich mich anziehe, hängt stark von meiner Tagesverfassung ab. Bei Kostümen bin ich sehr penibel. Hat die Rolle, die ich spiele, Turnschuhe an oder High Heels? Das kann eine Figur grundlegend verändern.

Die grüne Bluse ist von Prada, das Brokat-Top und die Hose sind von Etro, die Schuhe von Vivienne Westwood.
Foto: Guenter Parth

STANDARD: Als Sie vor elf Jahren fürs RONDO fotografiert wurden, sagten Sie, Sie seien eine Schönheitsfanatikerin.

Minichmayr: Echt, hab ich das gesagt? Ich habe gern schöne Sachen um mich, das merke ich auch an meiner Wohnung, ich mag es, wenn es aufgeräumt ist, wenn es nicht zu angeräumt ist.

STANDARD: Bei Fotoshootings sind Sie heikel. Jedes Bild muss freigegeben werden, das ist in Österreich ungewöhnlich. Schlechte Erfahrungen gemacht?

Minichmayr: Ich will die Kontrolle haben. Ich will nicht in einer unvorteilhaften Pose gezeigt werden. Auf dem roten Teppich hat man gar keine Kontrolle darüber, wie man abgelichtet wird. Zumindest bei einem Fotoshooting möchte ich die Hand draufhaben.

STANDARD: Zurück zu "Jack": In dem Film spielen Sie eine Magazinjournalistin, die über Leichen geht. Haben Sie Ihre Erfahrungen mit Journalisten in die Gestaltung der Rolle einfließen lassen?

Minichmayr: Ich war für die Rolle nicht geplant, bin kurzfristig für Ursula Strauss eingesprungen, die einen schweren Unfall hatte. Ich wurde erst ein paar Tage vor Drehbeginn angerufen, ob ich übernehmen könnte. Insofern musste ich mit meinen Erfahrungen mit Journalisten arbeiten. Sagen wir so: Manche sind nerviger, und manche sind erträglicher. (lacht laut auf) Die Journalistin, die ich spiele, hat überhaupt keine Hemmungen vor dem Privatleben. Sie lässt ganz schnell Leute über die Klippe springen.

STANDARD: Das ist ein bisschen ein Journalistenklischee.

Minichmayr: Mag sein. Aber den meisten Journalisten geht es doch um eine gute Geschichte.

STANDARD: Medienpräsenz hilft, ein Image zu bilden.

Minichmayr: Natürlich. Aber ich habe oft das Gefühl, dass ich gar nicht so viel zu sagen habe. Es ist schwierig, über Rollen zu sprechen, ich habe vor jedem Wort Schiss, mit dem ich eine Figur festmache.

STANDARD: Warum halten Sie Ihr Privatleben komplett von den Medien fern?

Minichmayr: Weil das niemanden was angeht. Ich stehe für meine Sachen, hüpfe aber nicht als Paar vor den Kameras rum. Manchmal passiert es, dass Medien dennoch was schreiben. Aber ich muss das ja nicht kommentieren. Und meine meisten Partner hat das auch nicht interessiert.

STANDARD: Als Ihnen eine Beziehung mit dem Tote-Hosen-Sänger Campino nachgesagt wurde, waren Sie Ziel der Boulevardmedien. Eine ganz neue Erfahrung?

Minichmayr: Man kriegt es mit der Angst zu tun, wenn Menschen ihre Handys zücken und Bilder von einem machen und den Medien schicken. Man wird aufmerksamer. Ich habe das Glück, dass ich bei weitem keine so öffentliche Figur wie Campino bin. Wenn man sich mit ihm trifft, muss man den Gesprächsfaden immer wieder neu aufnehmen, weil ihn so viele Leute anquatschen.

STANDARD: Sie haben in vielen Filmen mitgespielt, haben bei der Berlinale für "Alle anderen" den Goldenen Bären gewonnen. So unbekannt dürften Sie nicht sein.

Minichmayr: Aber ich habe kaum in kommerziellen Filmen mitgespielt. Ich spiele nicht bei Fack ju Göhte mit.

STANDARD: Würden Sie nicht?

Minichmayr: Ich würde es per se nie ablehnen, aber mir sind solche Filme zu banal. Ich finde Fäkalwitze und den verklemmten Sexualhumor im Mainstreamkino nicht so witzig. Aber prinzipiell hätte ich voll Lust auf eine richtig fette, feiste Komödie. (Stephan Hilpold, Rondo, 3.9.2015)