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Als US-Außenministerin (Archivbild vom Dezember 2011) verwendete Hillary Clinton unter anderem einen Blackberry für ihre Korrespondenz – allerdings nicht den offiziellen Mailserver der Regierung.

Foto: AP / J. Scott Applewhite

Es war am Tag vor Silvester, als Hillary Clinton die Bankraubstory aufgriff. "Sollte ich mich geschmeichelt fühlen? Wenigstens ein bisschen? Glaubt ihr, der Kerl hat die Maske absichtlich ausgesucht? Oder hat er einfach nach der nächstbesten gegriffen?"

Das war im Dezember 2010. In Sterling, einer Kleinstadt in Virginia, war eine Bankfiliale überfallen worden von einem Mann, der sein Gesicht hinter einer Hillary-Clinton-Maske tarnte. Zwei enge Berater der Außenministerin, ihre Stabschefin Cheryl Mills und ihr Anwalt David Kendall, tauschten sich via E-Mail darüber aus – und zumindest verrät der digitale Briefwechsel, dass im State Department ein eher lockerer Ton herrschte, bisweilen angereichert durch bissigen Humor.

Flapsiger Tonfall

"Sie (Clinton, Anm.) hat ein Alibi, nehme ich an?", schrieb etwa Mills an Kendall und fügte einen Agenturbericht über den Raub hinzu. "Man kann nie wissen", antwortete Kendall. Nachdem die Chefin den ironischen Tonfall aufgegriffen hatte, legte er nach. Eines könne er schon nach schneller Recherche sagen: In der Geschichte der Banküberfälle hätten die Täter – wenn sie denn Politikermasken trugen – meist die von Republikanern gewählt.

Vorn liege Richard Nixon ("kaum überraschend" angesichts des Watergate-Skandals) mit elf dokumentierten Fällen; gefolgt von George W. Bush und Ronald Reagan. "Es hat den Anschein, als hätten wir für die Demokraten eine Premiere gefeiert."

7000 Seiten E-Mails

Diese Woche ist der bisher dickste Stoß jener 30.000 E-Mails veröffentlicht worden, die Hillary Rodham Clinton alias HRC in ihren vier Jahren als Außenministerin schrieb: 7000 ausgedruckte Seiten, die ihren Gegnern im Rennen ums Oval Office kaum genug Munition liefern dürften, um aus der Affäre einen echten Skandal zu machen. Ein Richter hatte im Jänner die Freigabe angeordnet – und schon die Tatsache, dass sich Clinton für dienstliche Post eines privaten Mailkontos bediente, ließen ihre Kritiker auf sensationelle Enthüllungen hoffen.

Daran gemessen ist wenig brisant, was man bisher nachlesen kann: keine Staatsgeheimnisse, eher Banalitäten. Immerhin gewährt die Sammlung einen Einblick in den Alltag eines Schlüsselressorts, in dem es auch nicht anders zugeht als in einem ganz normalen Büro, egal auf welcher Seite des Atlantiks.

Jederzeit erreichbar

Die Chefin, die oft noch spätabends vorm Computer saß, legte Wert darauf, ihre Mitarbeiter jederzeit erreichen zu können. Die Mitarbeiter wiederum gaben gute Ratschläge – etwa dann, wenn sie Studien über die Auswirkungen von Schlafmangel auf das Gewicht von Frauen gelesen hatten. Nicht weit hergeholt bei einer Weltreisenden, die ständig durch die Zeitzonen flog und akut mit dem Jetlag zu kämpfen hatte.

Manchmal versuchten sie auch nur, mit braven Komplimenten Punkte zu sammeln. "Es gibt ein sehr elegantes Bild von dir auf der Titelseite der International Herald Tribune", schwärmte Planungschefin Anne-Marie Slaughter am 31. Jänner 2010. HRC zurück: "Danke, hast du die Fotos gesehen, die zeigen, wie mir der Schuh vom Fuß rutscht, als ich die oberste Stufe des Elysée erreichte, um von Sarkozy begrüßt zu werden?"

Dann wären da noch die alten Freunde – zwar ohne Amt, dafür aber umso meinungsfreudiger. Allen voran Sidney "Sid" Blumenthal, einst Reporter, ab 1997 Assistent Bill Clintons im Weißen Haus; eine Art Kummerkasten, dem sich der damalige Präsident im Strudel der Monica-Lewinsky-Affäre anvertraute und der auch bei Hillary Ansehen genoss. Es gab Zeiten, da schrieb er ihr fast täglich.

Westerwelle versus Boehner

Im November 2009 lieferte Blumenthal eine Skizze Guido Westerwelles, des neuen deutschen Außenministers, den die Amerikaner nicht recht einzuordnen wussten: Der spreche fließend Englisch, sei überhaupt nicht konservativ und werbe für eine Welt ohne Atomwaffen. Reibungspunkte mit den USA seien nicht zu erkennen, "er ist von Naturell und Ausbildung her Transatlantiker". Nur eben kein Kumpeltyp, der anderen kräftig auf die Schulter klopfe. Es brauche Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Hillary solle Westerwelle gut aussehen lassen, der Rest werde sich schon finden, riet Blumenthal.

Wie der alte Vertraute vor der Kongresswahl im Herbst 2010 über John Boehner urteilte, den Konservativen, der nach dem Sieg seiner Partei Speaker des Repräsentantenhauses werden sollte, lässt dagegen fast schon an eine Karikatur denken: Jüngere Republikaner verachteten den Mann, er sei "zwielichtig, ein Alkoholiker, faul, ohne den Glauben an Prinzipien". (Frank Herrmann aus Washington, 3.9.2015)