Das Galaxy S6 Edge+: Immer mehr Apps aus dem Hause Microsoft.

Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Von Anfang an hat Google Android als ein relativ offenes System konzipiert. Hardwarehersteller – und Netzbetreiber – nutzen dies, um sich mit eigenen Apps und Anpassungen des Kernsystems von der Konkurrenz abzusetzen – nicht immer zur Freude der Nutzer. Gerade Samsung hat sich einen gewissen Ruf in dieser Hinsicht erarbeitet, die Zahl der auf den Geräten des südkoreanischen Herstellers vorinstallierten Apps mit zweifelhaftem Wert ist Legende.

Google reduziert

Insofern ließ ein unlängst zirkulierender Bericht etwas Hoffnung aufkeimen: Google habe die Zahl jener eigenen Apps, die die Hersteller fix mit ihren Smartphones ausliefern müssen, reduziert, heißt es darin. Ein Blick auf das vor kurzem von Samsung vorgestellte Galaxy S6 Edge+ bestätigt dies indirekt: Im Vergleich zum Galaxy S6 wurde die Zahl der vorinstallierten Google-Apps um vier reduziert. Play Games, Play Books, Google Keep und Google+ landen also nicht mehr von Haus aus auf dem Smartphone.

Mehr Microsoft

Doch wer glaubt, dass damit die Zahl der Bloatware auf Samsung-Geräten reduziert wird, irrt. Der Hersteller nutzt die Gelegenheit nämlich, um einen anderen Partner zum Zug kommen zu lassen: So sind nun auch Word, Excel und Powerpoint vorinstalliert, die sich zu den bereits auf dem S6 zu findenden Skype, OneNote und OneDrive gesellen. Die diversen Google-Docs-Komponenten liefert Samsung hingegen nicht mit. Zum verstärkten Microsoft-Fokus passt dann auch, dass beim ersten Start die Nutzung von Microsofts OneDrive beworben wird. Google Drive ist zwar vorinstalliert, aber eben offenbar nur weil es erzwungen ist.

Wenige Apps wichtig für Samsung

Auch sonst tut Samsung offenbar alles, um die Google-Präsenz auf seinen Geräten, so weit es die Android-Vertragsbedingungen zulassen, zurückzudrängen. Fast alle Google-Apps sind mittlerweile in einem Unterordner vergraben, lediglich der Play Store, Youtube, Google Maps und Chrome bilden eine Ausnahme. Interessant ist dies auch deswegen, da selbst so "Perlen" wie HRS Hotels einen eigenen Eintrag in der Hauptansicht des App-Starters haben. Von all den Samsung-eigenen Apps – wie etwa S-Voice -, die vorhandene Funktionen von Google-Programmen duplizieren, ganz zu schweigen.

Motivationslage

Über die Beweggründe für Samsungs fortschreitende Zurückdrängung der Google-Präsenz auf den eigenen Geräten lässt sich nur spekulieren, offizielle Stellungnahmen dazu gibt es von keinem der beiden Unternehmen. Offenbar will sich Samsung damit aber eine möglichst hohe Unabhängigkeit erhalten, um im Fall des Falles Google ganz ersetzen zu können. Realistisch scheint so ein Schritt angesichts der zentralen Rolle des Play Stores aber vorerst nicht – und diesen bekommt Samsung eben nur, wenn man auch einem fixen Set an Google-Apps zustimmt. Durch die Partnerschaft mit Microsoft könnte man sich hier aber Optionen für die Zukunft offen halten, sollte der Windows-Hersteller künftig sein Android-Engagement noch weiter verstärken.

Sparmaßnahme

Der Microsoft-Deal dürfte aber wohl noch einen weiteren Hintergrund haben: So soll Microsoft laut – inoffiziellen – Berichten für die Vorinstallation seiner Apps auf Lizenzzahlungen verzichten. Diese hebt das Unternehmen bisher von vielen Android-Herstellern im Rahmen eines Patentabkommens ein. Zwischen 5 und 15 US-Dollar soll dieser Betrag pro Gerät liegen. Für Microsoft ist dies jedenfalls ein mächtiges Vehikel um einen Fuß in den Android-Markt zu bekommen – und diese Strategie scheint aufzugehen.

Ausblick

All dies wirft aber natürlich auch die Frage auf, was das für die weitere Zukunft von Android bedeutet. Immerhin übernimmt Google bisher praktisch im Alleingang die Entwicklung von Android – in der Hoffnung indirekt über die Verbreitung der eigenen Apps und Services zu profitieren. Eine zunehmende Zurückdrängung dieser Präsenz könnte also langfristig auch ein strategisches Problem für Google darstellen. (Andreas Proschofsky, 3.9.2015)