Die Zersiedelung kostet – nicht nur wegen der nötigen Infrastruktur, sondern auch wegen der höheren Verkehrsemissionen.

Foto: standard/newald

Keine zwei Gemeinden in Österreich sind gleich. Zu diesem Schluss kamen die diesjährigen Baukulturgespräche in Alpbach, die sich unter dem Generalmotto "Ungleichheit" dem Schwerpunktthema "Auf Geld bauen: Gleichheit produzieren oder Ungleichheit aushalten" widmeten. "Und trotzdem werden die Gemeinden hierzulande über einen Kamm geschoren", bekrittelte Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ), "ganz unabhängig davon, ob eine Gemeinde großflächig oder klein ist, ob sie sich im Speckgürtel oder in einer peripheren Lage befindet, ob sie eine zentralörtliche Funktion übernimmt oder nicht. Diese Gleichschaltung ist keineswegs gerecht."

Rasch landete man beim omnipräsenten, die Diskussion prägenden und bestimmenden Thema Finanzausgleich. Enorme Summen – rund 80 Milliarden Euro an Steuereinnahmen – wollen jedes Jahr zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt werden. Dabei orientiert sich das Finanzausgleichsgesetz (FAG) in erster Linie an der Einwohnerzahl. Viele andere, laut Diskutanten wichtige Faktoren, werden dabei außer Acht gelassen. Die Folge: "Die kleinen Gemeinden gehen ein wie die Waserln, die großen Gemeinden werden immer größer und größer", wie Gerlind Weber, emeritierte Professorin für Raumplanung und regionale Entwicklung an der Boku Wien, erklärte.

Verstaubter Finanzausgleich

"Der heutige Finanzausgleich ist historisch geprägt und hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg kaum verändert", so Gaby Schaunig, stellvertretende Landeshauptfrau Kärnten. Eine Reform sei längst überfällig. Auch Finanzminister Hans Jörg Schelling sehnte sich dringend und sehr unmissverständlich nach einer "intelligenteren" Lösung: "Wichtig ist es, die Finanzen nicht nur anhand des abgestuften Bevölkerungsschlüssels zu bemessen, wie das heute der Fall ist, sondern auch die Aufgabenorientierung der einzelnen Gemeinden zu berücksichtigen. Eine saubere Lösung muss her."

Wie diese aussehen könnte, erarbeitete die Raumplanungsprofessorin Weber in einer Arbeitsgruppe: "Wir müssten mehr Raumplaner in die Finanzausgleichsverhandlungen einbeziehen, wir müssten die Gemeindefinanzen unter räumlichen und funktionalen Gesichtspunkten gestalten, vor allem aber müssten wir endlich damit anfangen, die positiven Vorreiter zu belohnen, denn Best-Practice-Beispiele für gemeindeübergreifendes Netzwerken und sparsamen Umgang mit Bodenressourcen gibt es bereits."

So wie etwa Ottensheim in Oberösterreich, wo man im Ortszentrum heute weniger Leerstand vorfindet als in vielen anderen Gemeinden gleicher Größe. "Die meisten Gemeinden stellen Fachmarktzentren an den Stadtrand und wundern sich dann, dass die Ortskerne aussterben", sagte die Ottensheimer Bürgermeisterin Ulrike Böker. "Allerdings kann ich aus Erfahrung sagen, dass es nicht immer leicht ist, gegen dieses System zu arbeiten."

Gegen die Zersiedelung

Gerade im Gemeinden und Regionen, die von Schrumpfung betroffen sind, gelte es, mit Bodenressourcen sparsam umzugehen und zusätzliche Zersiedelung – und damit auch zusätzliche Infrastrukturkosten – zu stoppen. Dazu gehören nicht nur neue Überlegungen zum Umgang mit Handel und Gewerbe, sondern auch mit dem zentralen Thema Wohnen. "Solange der Traum vom Einfamilienhaus auf der grünen Wiese mit Wohnbaufördermitteln und Pendlerpauschalen verwirklichbar ist, und das ist er heute noch", so Petra Hirschler, TU Wien, "so lange wird sich an der österreichischen Raumordnung nicht viel ändern."

Schlusswort Gerlind Weber: "Es ist dringend an der Zeit, die Raumordnung, die Regionalentwicklung und den Finanzausgleich neu zu denken – und wenn es mit der Brechstange sein muss!" (Wojciech Czaja, 4.9.2015)