Die Seventies- und die Sixties-Linie von Glashütte Original ist eine Hommage an jene Zeit, welche die Produktpalette des damaligen VEB Glashütter Uhrenbetriebe, deren Rechtsnachfolger die Luxusuhrenmarke ist, stark geprägt hat. Basierend auf dem typischen Design früherer Modelle, insbesondere der "Spezimatic", wurden die Linien als Teil der Vintage-Kollektion von Glashütte Original neu interpretiert.

Foto: Glashütte

Die Sixties-Linie von Glashütte Original.

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Glashütte, der Ort: Das ist eine verschlafene Kleinstadt in Sachsen, weitab vom Schuss, mit viel Wald drum herum. Glashütte, die Marke: Das ist ein Versprechen, ein Qualitätsmerkmal: Weit über den Kreis der Liebhaber tickender Preziosen bekannt, steht diese Herkunftsbezeichnung für hochwerte mechanische Uhren "Made in Germany". Auf den einschlägigen Messen in Genf oder Basel werden die Zeitmesser aus dem Osterzgebirge gleichwertig neben Edeltickern aus der Schweiz präsentiert. "Hier lebt die Zeit" steht denn auch ganz unbescheiden auf einer Infotafel am Busbahnhof.

Die Frage, wie diese Ortschaft im Müglitztal, 25 Kilometer südlich von Dresden, zu einer globalen Marke werden konnte und wie Ort und Marke einander bedingen, wird im Museum beantwortet. Untergebracht ist es – wie könnte es anders sein – in einer ehemaligen Uhrmacherschule. Dort wird die Geschichte der Uhrenstadt mit all ihren Höhen und Tiefen nachgezeichnet.

"Hier lebt die Zeit": Glashütte ist selbstbewusst.
Foto: Glashütte Original

Vor gut 170 Jahren brachte der sächsische Hofuhrmachermeister Ferdinand Adolph Lange (1815 bis 1875) seine Handwerkskunst in die Stadt, erfährt man in der Dauerausstellung. Die Menschen waren arm, Arbeit im Silberbergbau gab es nicht mehr. Lange bildete die Bergarbeiter in der Uhrmacherei aus. Bald siedelten sich weitere Uhrmacher an, gründeten eigene Firmen. Auch Gehäusebauer, Zeiger- und Unruhhersteller arbeiteten hier.

Hier wurde das "Fliegende Tourbillon" entwickelt

1878 wurde jene Uhrmacherschule gegründet, in der das Museum nun untergebracht ist. Die Exponate zeugen vom Einfallsreichtum der Uhrmacher, die sich Glashütter Spezialitäten ausdachten wie die Dreiviertel-Platine mit dem typischen Streifenschliff oder die Schwanenhals-Feinregulierung – Details, die bis heute Kennzeichen einer jeden Uhr sind, die in Glashütte gefertigt wird. Besonders stolz ist man auf Alfred Helwig, der 1920 das "Fliegende Tourbillon" entwickelte. Heute ist die Uhrmacher-Schule von Glashütte Original nach ihm benannt.

Das Deutschen Uhrenmuseums Glashütte – Nicolas G. Hayek ist in der ehemaligen Uhrmacherschule untergebracht.
Foto: Glashütte Original

Die präzisen Zeitmesser aus Sachsen erlangten bald internationale Reputation: Die Begriffe Uhr und Glashütte wurden bald synonym gebraucht.

Anders als in anderen Museen beschränken sich die Verantwortlichen nicht nur darauf, wertvolle Uhren und Uhrwerke auszustellen, sondern vermögen die über 400 Exponate in einen Kontext zu stellen. Man könnte dort Stunden verbringen. Interaktive Installationen erklären das Innenleben und die Funktionsweise einer mechanischen Uhr, die Entwicklung der Uhrmacherschule wird illustriert, aber auch die dunklen Zeiten von Weltwirtschaftskrise, Weltkrieg und sozialistischem Kombinat werden nicht ausgeklammert.

Stolz auf die Geschichte

Noch bis November läuft die liebevoll gestaltete Sonderausstellung "Glashütte zur DDR-Zeit". Sie widmet sich der Uhrenproduktion von 1951 bis 1990 und würdigt 25 Jahre nach der Wiedervereinigung die Leistungen der Menschen zu dieser Zeit. Sie lebt von den Aussagen der Zeitzeugen wie Walter Lange, Ferdinand Adolphs Urenkel.

Er erinnert sich: "Wir mussten das wenige, dass 1945 noch nicht zerstört worden war, in Kisten packen und den Sowjets übergeben, die die Maschinen als Wiedergutmachung mitnahmen. Bei Lange & Söhne mussten wir den Russen Bauanleitungen zeichnen, um ihnen beizubringen, wie sie Marinechronometer herstellen können." Lange selbst sollte deportiert werden, konnte aber nach Westdeutschland flüchten, wo er versuchte, die Marke wieder aufzubauen.

Das Sujet der Ausstellung "Glashütte zur DDR-Zeit"
Foto: Glashütte Original

"Auch die übrigen Betriebe wurden enteignet und in Volkseigene Betriebe, VEB, umgewandelt", schildert der Direktor des Uhrenmuseums, Reinhard Reichel, ein DDR-Urgestein, der durch die Sonderausstellung führt. Deutschland wurde geteilt, die DDR gegründet und die einzelnen VEB zu einem gemeinsamen Betrieb zusammengeschlossen: dem VEB Glashütter Uhrenbetrieb, kurz GUB. "Die Uhrenindustrie stand vor zahlreichen Problemen: Es wurden keine Uhrenteile mehr importiert, es mangelte an Devisen, Spezialmaschinen etc.", erzählt Reichel weiter. "Man musste also erfinderisch sein: Zahlreiche Eigenentwicklungen wurden international patentiert."

Der Ruhm ist verblasst

Reichel sagt das mit Stolz, denn auch wenn der Ruhm verblasst ist: Auch zu Ostzeiten kamen gute mechanische Uhren aus Glashütte. Eine eigene Abteilung Sondermaschinenbau kümmerte sich um die Geräte, die für die zunehmende Automatisierung der Produktion notwendig waren. Man entwickelte auch eine eigene Stoßsicherung für Uhrwerke, einen automatischen Aufzug, der unter anderem in der Glashütte "Spezimatic" und später auch "Spezichron" eingebaut wurde.

Im Hintergrund das Logo des VEB Glashütter Uhrenbetrieb, kurz GUB, im Vordergrund eine Uhr aus der "Sixties"-Linie von Glashütte Original, das von den Produkten aus DDR-Zeiten inspiriert ist.
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Auch ein Werbefilm läuft im Museum, "Zeit ist Geld", er zeigt ein Sixties-Pärchen auf der Parkbank: Er streicht ihr mit der Hand, an der eine "Spezimatic" prangt, auf und ab durchs Haar. Der Kommentar dazu: "Kein Aufziehen mehr, eine Armbewegung reicht!" Man erfährt auch, dass Glashütter-Uhren vom Versandhaus Quelle verkauft wurden, unter der Eigenmarke "Meister Anker". Gut möglich, dass ein solcher Zeitmesser an dem einen oder anderen österreichischen Handgelenk getickt hat.

Die Schweizer kommen

Dann kam die Wende. Eine wilde Zeit voller Ängste und Hoffnungen. Die Aussicht auf Profit und der gute Ruf der Uhrenstadt lockten die "Kapitalisten" an – skeptisch beäugt von den Uhreinwohnern. Einer der Ersten war Günter Blümlein. Er trug maßgeblich zur Wiederauferstehung von Glashütte bei.

Im Dezember gründete er die Lange Uhren GmbH zusammen mit Walter Lange – mit durchschlagendem Erfolg. An ein solch machtvolles Comeback des Uhrenstandortes hatte kaum jemand geglaubt. Seit 2000 gehört die Marke A. Lange & Söhne zum Richemont Konzern, der Luxusmarken wie Cartier, Panerai oder IWC Schaffhausen gehören.

Hier könnte man Stunden verbringen: Das hervorragend gestaltete Museum in Glashütte
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Im selben Jahr übernahm die Swatch Group die ehemalige VEB GUB, die 1994 von den bayerischen Unternehmern Heinz W. Pfeiffer und Alfred Wallner gekauft und in Glashütte Original umbenannt worden war. Die beiden hatten es geschafft, die Firma von der billigen Massenproduktion in eine Nobelmanufaktur mit hoher Fertigungstiefe zu verwandeln. Einen Weg, den die Swatch Group seither weiter beschritten hat. Ohne Zweifel zählen die Kreationen von Glashütte Original zum exklusiven Kreis ehrlicher Manufaktur-Uhren.

Man braucht nur die Straßenseite zu wechseln

Es wurde und wird kräftig investiert, davon kann man sich bei einem Manufakturbesuch bei Glashütte Original überzeugen. Den modernen Industriebau und den Firmensitz von A. Lange & Söhne – sie sind die größten Arbeitgeber des Ortes – trennt nur ein schmaler Rasenstreifen. Die Grundstücksgrenze verläuft in der Mitte: Wird die eine Hälfte vom Gärtner der einen Marke gemäht, kommt wenige Minuten später der Gärtner der anderen Marke und stutzt die andere Hälfte. Solche Schnurren erzählt man sich hier. Und auch die: Wechselt ein Mitarbeiter die Firma, braucht er nur die Straßenseite zu wechseln.

Viele Bäume, viel Ruhe – Glashütte ist trotz allem ein verschlafenes Städtchen in der Sächsischen Schweiz.
Foto: Glashütte Original

Die Wege in Glashütte sind eben kurz. Auf der anderen Straßenseite erblickt man die Fertigungsstätte der populären Uhrenmarke Nomos Glashütte, die sozusagen das moderne Gesicht des Uhrenstädtchens ist. Eine weitere Erfolgsgeschichte aus der Wendezeit. Gleich dahinter hat die junge Manufaktur Moritz Grossmann ihren Firmensitz. Und so geht es weiter: Mühle, Bruno Söhnle, Tutima oder Wempe: Der Juwelier baut seine Chronometer hier und hat dafür die Sternwarte hoch oben auf dem Berg saniert.

Es gilt ein ungeschriebenes Gesetz

Was die Uhrenbauer zusammenhält, ist nicht nur freundschaftliche Konkurrenz, sondern auch die "Glashütter Regel" – ein ungeschriebenes Gesetz seit Adolph Lange. Sie besagt, dass mehr als 50 Prozent der Wertschöpfung am Uhrwerk vor Ort ergehen muss, der Rest kann aus der Schweiz zugeliefert werden. Nur dann darf man sich den wertvollen Schriftzug "Glashütte" aufs Zifferblatt schreiben. Darüber wird eifersüchtig gewacht: Wer denkt, dass er die Regel brechen kann, um schnellen Profit zu machen, dem wird schon einmal kräftig auf die Finger geklopft.

Die hochmoderne Uhren-Manufaktur von Glashütte Original
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Sonst ist es eher ruhig in der knapp 7.000 Einwohner zählenden Stadt – sehr ruhig. Diese Ruhe braucht dieses spezielle Handwerk offenbar. Es scheint fast so, als ob die Uhrmacherkunst nur in der Abgeschiedenheit von Gebirgen, abseits der Hauptverkehrswege gedeihen kann. Le Locle, Le Brassus, Fleurier oder andere Zentren der Uhren-Schweiz sind schließlich auch nicht dafür bekannt, dass dort der Bär steppt. (Markus Böhm, Rondo, 24.9.2015)

Altes Werbematerial.
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