Altbewährtes kann ganz großartig Neues hervorbringen – wenn es nicht am Gestrigen hängt oder gar am Ewiggestrigen. Das ist keine Empfehlung für den kommenden Sonntag, liebe Oberösterreicher und Oberösterreicherinnen. Außer natürlich, Sie haben für Sonntagmittag im Mühltalhof reserviert. Und weil Sie schon gewählt haben, können Sie hier getrost Weiß wählen.

Carte blanche also im Mühltalhof in Neufelden, nicht weit von Haslach und auch von Langenlebarn offenbar. Wie komm' ich darauf? Raten Sie doch einmal, welches Lokal man mir im Mühltalhof beim Auschecken ein bisschen nach 11 Uhr empfohlen hat für eine gescheite Stärkung auf dem Rückweg nach Wien. Genau: den Floh, hierorts ohnehin recht häufig empfohlen. Und schon ein bisserl weit vom Mühltalhof.

Stoned Anke

Das war nach unserem Carte-blanche-Menü, bei dem ich schon gelächelt hatte über den Fisch auf dem Salzstein. Der kam mir bekannt vor von einer kleinen Zwischengerichts-Überraschung in Langenlebarn bei einem der viel zu lange zurückliegenden Dinner mit Herrn Pontemonte. Der Josef Floh sagt, auf die Parallelaktion angesprochen, mit Fug und Recht, dass die zwei Stoned Fishes recht unterschiedliche Interpretationen sind.

Und: Die Rachingers, Vater Helmut und Sohn (und grad selbst Vater) Philip, stellen noch viel mehr Schönes an mit Saibling und Co, wie Sie längst von Severin Corti, Gault Millau und anderen Profis wissen. Was sie so anstellen und wie ich zu meiner Wahlempfehlung für Oberösterreich komme – sehen Sie hier (in ganz guten und nicht ganz so guten Bildern):

Weiß wählen, nur hier

Damit fängt es an, wenn man den Rachingers die weiße Karte zeigt – auch ziemlich weiß und ziemlich gut: Sauerampfer, weißer Paradeisschaum und Kren.

Wobei, das mit dem Anfang ist natürlich nicht ganz richtig: Die Küche grüßt zunächst mit recht schönen heurigen Erdäpfeln in dicker roter Pfefferonisauce unter einem knusprigem Salbeiblatt, gruppiert um ein bisschen Asche. Asche wovon, wollte man auf Anfrage nicht näher präzisieren, jedenfalls: a schen.

Foto: Harald Fidler

Stoned Anke

Reinanke auf dem Salzstein – bis ich ein vernünftiges Foto hatte, war sie leider ganz gegen die Empfehlung von Philip Rachinger ein bisschen zu durch. Meine Schuld, trotzdem sehr feine Sache.

Foto: Harald Fidler

Anke an Gurke

Und so sieht Anke nach der Übersiedelung auf den Teller aus: Zitronensenf-Bremsspur am unteren Rand, für mich ein bisserl intensiv, umrahmt von, so heißt es hier, Zitronengurke. Schön.

Und weil wir gerade beim Garen am Tisch sind, biege ich kurz ab zum Saibling in der Kiste, den ich à la Carte am Vortag nicht auslassen wollte.

Foto: Harald Fidler

Saibling in der Kiste

Hier gart ein Seesaibling aus dem Grundlsee in der Kiste, genauer: einer heißen Zedernkiste.

Man sieht zwar deutlich weniger vom Saibling als weiland bei seinem Kollegen im Steirereck, der optisch recht spektakulär im Honig garte. Aber...

Foto: Harald Fidler

Ich see Saibling

..., ja aber: Ich war damals im Steirereck, das vermutlich längst gar keine Saiblinge mehr mit Honig übergießt, ein bisschen enttäuscht nach den hymnisch beförderten Erwartungen.

Ich finde also: Besser Holz!

Mit Hollunderbalsamessig, Sauerklee und ordentlich Piniensalz.

Foto: Harald Fidler

Geh, Müse!

Es ging ein Rauna durch den Raum, eigentlich wurden die Rauna natürlich eher getragen, weil rote Rüben nicht von selbst gehen. So aber gehen sie besonders gut – selbst die geliebte Gemahlin, keine Freundin solcher Erdung, schien sehr zufrieden.

Kommen mit Anis, Brombeeren und geräuchertem Bauernobers, Zwiebel nach meiner Erinnerung zudem. Eine schlüssige Begleitung, auch wenn es nicht gleich danach klingt.

Foto: Harald Fidler

Bock auf Sommer

Ja, schon Fleischgang, und was für einer: Sommerbock von großer, rosiger Freude. Und selbst wenn jemand das Fleisch durch haben wollen sollte, was mir ja gänzlich unverständlich ist – auch das bekommen die Rachingers mit dem Felltier vernünftig hin, wie ich kosten durfte.

Mit Melanzani, Beeren-Ragout und Sauerklee. Yeh.

Foto: Harald Fidler

Das Fleisch von gestern

Bei der Aufwärmrunde à la Carte am Vorabend bog ich zum Rind ab, obwohl mich der Seesaibling ein bisschen mehr gereizt hätte – aber zweimal Saibling? Ich hab's nicht bereut.

Also "Boef Mühlviertel", schön knackiges Beiried und geschmortes Schulterscherzel, mit "Raunaver jus", den ich nun nachträglich als Rotrübenverjus übersetze – ganz dilettantisch und ohne Gewähr. Kren, Senfgurke, Leinölpüree noch – und das Geschmorte in einer – sagt der Dilettant – Art schmucker Schnittlauch-Gremolata.

Foto: Harald Fidler

Die Rose der Sau

Ich bin nicht ganz sicher, ob das Durchbraten bei der Schweinsrose unter artgerechte Haltung fällt, die Rachingers bekommen das ausdrücklich Gewünschte aber wirklich sehr anständig hin.

Mit geschmortem Fenchel und gegrillter Wassermelone, die sichtlich zur Freude gereichte.

Foto: Harald Fidler

Kresse-Sorbet

Das ist doch einmal ein Einstieg ins Thema Dessert nach meinem Geschmack: Kapuzinerkresse-Sorbet mit Topfenschaum, Marille und Amaranth. Fresh.

Foto: Harald Fidler

Steirerkraft

Auch das eigentliche Dessert ein – für mich – erfreulicher Ausflug aus der klassischen Süßwarenwelt: Sonnenblumenkerneis mit Zwetschkenkaltschale, Essiglilien, und, so vermuten wir, Kürbiskernkrokant. Womöglich ein kleiner Verweis auf Oma Rachinger, die dem Mühltalhof mit steirischen Wurzeln den ersten kulinarischen Kick verlieh.

Foto: Harald Fidler

So ein Topfen

Es geht natürlich auch etwas heftiger hier: karamellisierter Topfenschmarrn mit – übrigens herausragendem – Zwetschkeneis und Mohn. (Hier wegen Ermüdungserscheinungen ins Zimmer geholt, daher die eher ungewöhnliche Tischdecke.)

Wieder ein – durchaus deftiger – Rückblick auf den À-la-Carte-Teil unserer Mühltalhof-Visite. Falls das wirklich nur eine Portion war – neben großartig auch wirklich groß.

Foto: Harald Fidler

Stoned, aber richtig

Im Carte-blanche-Menü schließt sich der Kohle-Kreis mit Holzkohlemakronen mit Sanddorn. Der letzte Petits-Fours-Gang nennt sich Steinbeißer und wird, so auch die begleitende Warnung, auf richtigen Steinen serviert.

Apropos Kohle: 72 Euro fielen für unser Sechsgang-Carte-blanche-Menü an. Der Saibling in der Schindel steht mit 18 Euro in der Karte, die Schweinsrose ebenso, das Mühlviertler Rind mit 28.

Eine hervorragende Wahl, wenn Sie mich fragen. (Harald Fidler, 22.9.2015)

Foto: Harald Fidler