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Bis Sonntag 18 Uhr sind in Nickelsdorf 8.500 Flüchtlinge aus Ungarn angekommen.

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Flüchtlinge vor dem Hauptbahnhof in München. Der Bahnhof musste nach einer Sprengstoffwarnung kurzfristig evakuiert werden. Mittlerweile gab es aber Entwarnung.

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Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière gab am Sonntagnachmittag bei einer Pressekonferenz die Wiedereinführung der Grenzkontrollen zu Österreich bekannt.

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Flüchtlinge am Sonntag auf dem Weg von Ungarn nach Österreich. Bundeskanzler Werner Faymann sagte, es werde keine durchgehenden Grenzkontrollen zwischen Österreich und Ungarn geben.

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Berlin/Wien – Die deutsche Regierung hat die vorübergehende Einführung von Grenzkontrollen zu Österreich beschlossen. Der derzeitige "Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland" müsse begrenzt werden, sagte Innenminister Thomas de Maizière am Sonntag in Berlin. Der Zugverkehr zwischen Österreich und Deutschland wurde am Sonntagnachmittag über Nacht ausgesetzt. In die Gegenrichtung – also von Deutschland nach Österreich – ist der Zugverkehr nicht beeinträchtigt.

Grenzkontrollen beginnen

Sonntagabend haben an der deutsch-österreichischen Grenze die angekündigten Grenzkontrollen begonnen. Wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, baute die Polizei am Abend auf der Bundesstraße 20 zwischen dem bayerischen Freilassing und dem österreichischen Salzburg Straßensperren auf.

Die Straße war in beiden Richtungen nur noch ein- statt zweispurig befahrbar. Autofahrer wurden kontrolliert. Bereits kurz nach dem Beginn der Kontrollen wurde eine Gruppe von drei aus Syrien stammenden Flüchtlingen, die zu Fuß auf einem Weg neben der Straße die Grenze passieren wollten, gestoppt. Zumindest vorläufig wurden die Menschen an der Weiterreise gehindert.

Die Kontrollen an der Grenze sollen nach Angaben des Bayrischen Rundfunks nicht ständig an allen Grenzübergängen durchgeführt werden, sondern sporadisch an wechselnden Orten stattfinden. Es werde Kontrollen "mal an Bundesstraßen, mal an Autobahnen" geben, berichtete der Sender am Sonntagabend. Die Maßnahmen würden zudem in den kommenden Tagen weiter verstärkt.

20.000 Menschen am Samstag in Nickelsdorf

Der burgenländische Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil sagte in der "ZiB"-Sondersendung, dass insgesamt mit 20.000 Flüchtlingen bis Montagfrüh zu rechnen sind.

Doskozil sagte, der Abtransport von Flüchtlingen aus Nickelsdorf funktioniere derzeit "sehr ruhig". Infolge der geplanten Sperre der ungarisch-serbischen Grenze durch Ungarn werde die Strecke über Budapest und Györ nach Österreich wohl nicht in der bisherigen Intensität genutzt werden. Dann sei davon auszugehen, dass die Flüchtlinge auf die Route via Kroatien und Slowenien sowie die Route über Bulgarien und die Slowakei ausweichen, um schließlich über Österreich nach Deutschland zu gelangen.

Wenn auch Österreich an seiner Grenze zu Ungarn ad hoc restriktive Kontrollen einführte, würden aus der Sicht Doskozils tausende Flüchtlinge "flächig über die grüne Grenze" in die Ortschaften des Bezirks Neusiedl/See kommen und müssten dort versorgt werden. "Das ist eine Situation, die wir uns nicht wünschen", sagte Doskozil.

Kurz: Vorgehen wie Deutschland

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) betonte in der ORF-Sendung "Im Zentrum", dass Österreich beim Thema Flüchtlingen im Gleichklang mit Deutschland agieren werde. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sagte, die Entscheidung über das künftige österreichische Vorgehen werde am Dienstag beim Treffen zwischen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel fallen. Auch das Treffen der EU-Innenminister in Brüssel werde eine entscheidende Rolle spielen, sagte der Sozialminister.

Mikl-Leitner fordert Bundesheer-Assistenzeinsatz

Auch Österreich habe das Polizeiaufkommen an der Grenze erhöht, und die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat laut Außenminister Kurz bereits einen Assistenzeinsatz des Bundesheeres angefordert. Für einen Assistenzeinsatz brauche es allerdings einen Ministerratsbeschluss, sagte der Außenminister. Insgesamt rechnet Kurz mit rund 30.000 positiven Asylbescheiden in diesem Jahr – das sei eine Herausforderung, aber zu schaffen.

Weiterreise nach München

Allein seit vergangener Woche reisten zumindest 60.000 Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich ein – die allermeisten davon sind direkt nach Deutschland weitergefahren. Am Samstag trafen 12.000 Menschen am Bahnhof München ein. Deutsche Regional- und Lokalpolitiker hatten zuletzt vor einer Überforderung im Umgang mit der Situation gewarnt.

Dublin-Regeln einhalten

De Maizière pochte auf die Einhaltung der zuletzt umstrittenen Dublin-Asylregeln. "Nach geltendem Recht ist Deutschland für den größten Teil der Schutzsuchenden nicht zuständig", sagte der Minister. Das Dublin-System schreibt vor, dass Schutzsuchende im jenem EU-Staat Asyl beantragen, in das sie bei ihrer Flucht zuerst einreisen. Zunächst war nicht klar, ob Deutschland nun Asylbewerber nach Ungarn zurückschicken wird.

Faymann: Keine durchgehenden Kontrollen an Grenze zu Ungarn

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) erklärte in einer ersten Reaktion nach einer Krisensitzung im Kanzleramt in Wien, es werde keine durchgehenden Grenzkontrollen an der Grenze zu Ungarn geben. Vielmehr werde man weiter stichprobenartig kontrollieren, sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Der ungarische Regierungschef Victor Orbán begrüßte unterdessen die Einführung der Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich.

Seehofer: Signal für die Welt

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprach in Sachen der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu Österreich davon, dass es sich dabei um ein wichtiges Signal für die ganze Welt handle. Der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU) sprach davon, dass Kontrollen an Grenzen zu anderen Staaten erweitert werden könnten, sollte dies notwendig werden.

Die deutsche Bundespolizei kontrolliert seit Sonntag um 17:30 mit großen Aufgebot die deutsch-österreichischen Grenze. Sie wird nach Angaben des Bundespolizeipräsidiums Potsdam auf alle verfügbaren Einheiten und Dienststellen zurückgreifen. Ziel sei es, die unkontrollierte Einreise von pass- und visumspflichtigen Bürgern aus Drittstaaten zu begrenzen. Reisende seien wie immer dazu verpflichtet, beim Überschreiten der Grenze ihren Reisepass oder Personalausweis mitzuführen.

EU-Innenminister treffen sich in Brüssel

Die Einführung von Grenzkontrollen dürfte auch Thema beim Treffen der EU-Innenminister am Montag in Brüssel werden. Der deutsche Innenminister pochte am Sonntag erneut auf die Einführung eines EU-weiten "Verteilsystems" für Flüchtlinge – dies wollen osteuropäische Staaten wie Tschechien, die Slowakei und Polen bisher verhindern. Frankreich bekräftige am Sonntag erneut die gemeinsame Position mit Deutschland. (red, APA, 13.9.2015)