Die passende Kombination: In Milch pochierter Lammrücken auf Blattspinat und Eidotter – dazu das kräftige Roggen-Biobier von Schremser.

Foto: Steve Haider

Den Wein perfekt auf das Menü abzustimmen – diese Kunst beherrschen viele Sommeliers in Perfektion. Jahrelang beschäftigen sie sich mit Herkunft, Anbau und Lagerung, kennen viele Winzer persönlich und haben unzählige Weinseminare besucht. Es gehört – vor allem in der gehobenen Gastronomie – zum guten Ton, nicht einfach irgendeine Flasche zu trinken, sondern sich zu jedem Gang den passenden Wein servieren zu lassen.

Ein kühles Glas Bier trinkt man indessen eher als Aperitif, was viele Bierliebhaber verzweifeln lässt, würden sie doch viel lieber den Gerstensaft zum mehrgängigen Menü trinken. Um sich das Augenrollen des Kellners, die bösen Blicke des Tischnachbarn und die Standpauke der Gattin zu sparen, bleibt man dann doch beim Wein.

Aromen kombinieren

Doch es besteht Hoffnung: Mutige und kreative Köche versuchen sich am Food-Pairing mit Bier, dem Kombinieren von Speisen mit unterschiedlichen Bieraromen. Neu ist die Idee freilich nicht, hat der britische Spitzenkoch und Gastronom Heston Blumenthal doch bereits vor Jahren völlig unterschiedliche Aromen miteinander kombiniert und beispielsweise Kaviar mit Schokolade serviert. Schokoladearomen findet man auch in manchen Bieren – aber nicht nur diese. "Bier hat viel mehr Komponenten als Wein – es gibt unzählige Parameter. Biere können sehr leicht und schlank oder röstaromatisch und intensiv sein", weiß Biersommelierstaatsmeister Clemens Kainradl.

Wenn der Experte über Bier spricht, wird schnell klar, dass er nicht jenes meint, das wir im Krügerl zum Gulasch, in der Flasche zur Grillparty oder im Plastikbecher zum Fußball-Match trinken. Es ist jenes, das die perfekte Synergie zwischen Bier und der Speise bildet, das man genießt, anstatt es runterzuschütten, und das erst im Glas seinen vollen Körper entfaltet. Das Glas spielt überhaupt eine sehr große Rolle. "Das gleiche Bier wird, in unterschiedlichen Gläsern serviert, immer anders schmecken. Das muss man vor allem beim Food-Pairing beachten.

Wenn ein bekanntes Bier ungewohnt wirkt, ist es sinnvoll, das Glas zu wechseln", empfiehlt Kainradl und weiß außerdem: "Es gibt flüchtige Aromen beim Bier, die man zuerst riecht und nach ein paar Minuten nicht mehr – daher ist es wichtig, das Bier atmen zu lassen. Auch die richtige Temperatur ist wesentlich – ein Bier, das zu kalt oder zu warm ist, verfälscht den Geschmack". Hat das Bier erst mal die richtige Temperatur, ist im passenden Glas und konnte lange genug atmen, bleibt noch immer die Frage offen: Welche Speise passt dazu? Das Essen auf das Bier abzustimmen und nicht umgekehrt ist keine große Kunst, benötigt aber doch ein bisschen Knowhow und Bierverständnis.

Mehrgängiges Menü mit Bierbegleitung

Den richtigen Riecher beim Thema Food-Pairing mit Bier hat unter anderem Spitzenkoch Thomas Göls. Im Wiener Restaurant Hill kredenzt der Küchenchef ein mehrgängiges Menü zu einer Auswahl an österreichischen Bieren. Inspiriert durch die Craft-Bier-Box der Culturbrauer, einer Vereinigung neun österreichischer Brauereien, serviert Göls herrliche Speisen, die perfekt mit dem Bier harmonieren. Treffen die Aromen des Bieres und jene der Speisen aufeinander, wirkt irgendwie alles ganz logisch. Das Bier bildet die perfekte Ergänzung zum Essen oder umgekehrt – es verändert den Geschmack der Speise auf eine interessante Art. "Man muss sich manchmal einfach auf seinen Instinkt verlassen", sagt Josef Rieberer, Geschäftsführer der Brauerei Murau, und meint damit, das Bier mit all seinen Sinnen zu erfassen. Wichtig ist dabei vor allem der Geruchssinn, mit dem man die Geschmacksaromen definiert. Je nach Aroma überlegt man sich, welche Speise zum jeweiligen Bier passt und den Geschmack verstärkt oder eine Brücke schlägt.

Leitfaden

Für all jene, die an ihrem Instinkt zweifeln oder auf Nummer sicher gehen wollen, bieten die Culturbrauer Infos über Stil, Aroma, richtige Temperatur und passende Speisenkombinationen zum Bier an. Göls serviert beispielsweise gebratenes Maishuhn mit Auberginenkaviar zum natürlich leichten Biohanfbier von Hirter, glasierte Erbsen mit gebratenen Artischocken und Zuckerschoten zum rauchigen Smoked von Freistädter oder Vanillesoufflé mit Schokolade zum Gauder Steinbock von Zillertaler, einem starken Bockbier mit kräftigem und vollem Körper.

Die völlig unterschiedlichen Biere bilden die perfekte Ergänzung zu den servierten Speisen und stehen dem Wein in nichts nach. "Es würde mich freuen, wenn man in Zukunft neben der klassischen Weinbegleitung mehr Bier mit Speisen kombiniert. Bei einer scharfen Speise oder bei Käse ist Bier der bessere Begleiter. Die Gastronomie muss hier noch offener werden", sagt Kainradl. (Alex Stranig, Rondo, 18.9.2015)