Eines von fünf "Mozart à 2"-Paaren: Ketevan Papava und Mihail Sosnovschi tanzen die Einsamkeit zu zweit mit schöner Coolness.


Foto: Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

Wien – Auf ganz spezielle Art wirkt der Doppelabend, mit dem die Volksoper ihre Tanzsaison begonnen hat, richtig zeitgemäß. Das ist eher ein kollateraler Gewinn als dezidierte Absicht des französischen Choreografen Thierry Malandain. Denn seine beiden Ballette, Mozart à 2 und Don Juan, sind bewusst in neoklassischem Stil gehalten. Für die heute bevorzugte aus dem Einfluss der Ballets Russes kommende Richtung des Spitzentanzes hat Malandain nicht viel übrig.

Warum hat er trotzdem zeitgemäße Arbeit geleistet? Sein Tanz ist sicherlich, obwohl da und dort postmodern aussehende Einsprengsel aufblitzen, museal. Aber am Auftaktabend ging es auch um etwas, das man mit Feuer, Temperament oder – aus der postmodernen Wortschatzkiste – "Intensität" bezeichnen könnte. Ihren Mozart à 2 schienen die Tänzerinnen und Tänzer des Staatsballetts zwar perfekt wiedergeben zu können. Doch die fünf Pas de deux kamen sichtlich etwas kühler über die Bühne als vom Choreografen intendiert.

Genau diese Qualität der Distanz, die auch als Intensitätsmangel kritisiert werden könnte, unterstützt aber Malandains Absicht, etwas von der Einsamkeit zu zeigen, die bei Anbandelritualen entstehen kann. Darum geht es auch. Mozart à 2 ist eine zum eigenständigen Stück umgewandelte Passage aus dem Ballett Bal solitude des Choreografen, der in Biarritz seine eigene Compagnie leitet. Dieses 1997 entstandene Stück behandelt den Blues von Flirtenden auf diversen Bällen und Partys, wenn "die Liebe sich nicht auf immer reimt", wie Madandain schreibt.

In Zeiten einer eher konsumistischen Auffassung von Liebe ist die Einsamkeit zu zweit ein häufiges und oft verdrängtes Phänomen. Das spiegelt sich nun in der Volksoper bei Mozart à 2 wider, einer Kompilation aus fünf Mann-Frau-Duetten, die auf die Mittelsätze von fünf Mozart-Klavierkonzerten choreografiert sind. Alle diese Pas de deux sind Variationen über die Einsamkeit zu zweit, und sie zeigen, wie differenziert dieses Thema auch mit dem (neo)klassischen Tanz dargestellt werden kann. Die fünf Paare in der Aufführung am Mittwoch haben dieser Differenziertheit eine schöne Coolness verliehen, zum Beispiel Nina Poláková mit Alexis Forabosco oder Ketevan Papava mit Mihail Sosnovschi.

Einsamkeit und "Will haben"

Als zweites Stück folgt passend ein Archetyp des Liebeskonsums: Don Juan. Malandain hält sich dabei lose an das 1761 im Wiener Theater am Kärntnertor uraufgeführte Ballett Don Juan ou Le Festin de pierre (Don Juan oder der steinerne Gast) in der Choreografie von Gasparo Angiolini zur Musik von Christoph Willibald Gluck. Gravierender Unterschied: Jetzt liegt der Don bereits zu Beginn tot auf einem Tisch. Aber er erhebt sich noch einmal, um seine Unersättlichkeit vorzuführen und den gesamten Handlungsablauf mit Elvira, dem Komtur, den Furien, den Mätressen und dem Tod durchzuarbeiten, bevor ihn die Hölle aufnimmt.

Auch der Don ist einsam. Einmal, wenn er hier als Ego-Trinität in dreifacher Ausführung (Gleb Shilov, Martin Winter und Felipe Vieira) mit einer multiplen Elvira tanzt, und vor allem, wenn er dem Geist des Komtur und dem Tod in Gestalt einer seiner Mätressen begegnet. Letztere treten zum Teil in Crossgender-Versionen auf. Mit Queerness im heutigen Sinn will Malandain nicht gearbeitet haben. Aber durch die Brille der Gegenwart kann man's gar nicht anders sehen: In das Spiel um Liebe und emotionalen Maximalismus sind alle Geschlechterbeziehungen involviert. Dort breitet sich der Donjuanismus von einst zu einer konsumistischen – und einsam machenden – "Will haben"-Mentalität aus.

Gespielt hat das Orchester der Volksoper Wien unter Dirigent Jirí Novák, bei Mozart à 2 am Klavier saß Chie Ishimoto. Trotz der musikalischen Leistung und der Qualitäten sowohl der Tänzerinnen und Tänzer als auch der Stücke applaudierte das Publikum nur verhalten. (Helmut Ploebst, 17.9.2015)