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Wer die Taille trainieren will, soll zum Hula-Hoop-Reifen greifen, rät der Experte.

Foto: AP Photo/Gero Breloer

Kaiserin Sissi war berühmt für ihre schlanke Taille, die sie einer strikten Diät, aber auch einem stets streng geschnürten Mieder zu verdanken hatte. Das ist lange her. Aber jetzt kommt Kim Kardashian, Reality-TV-Star mit zig Millionen Followern auf Instagram. Dort zeigen sie und ihre Schwestern sich gerne mit Wespentaille dank Korsetts, die heute "Waist Cinchers" heißen: Wer diese regelmäßig trägt, verschmälert die Taille dauerhaft, posaunen die Kardashians ihr Schönheitsgeheimnis aus.

Josef Niebauer, Vorstand des Salzburger Universitätsinstituts für präventive und rehabilitative Sportmedizin, schüttelt bei solchen Verheißungen den Kopf. "Dahinter steckt immer die Hoffnung, dass man im Vorbeigehen die Figur bekommt, die sich andere hart erarbeitet haben." Oft spiele auch eine falsche Selbstwahrnehmung eine Rolle: Denn die Taille eines Models sei für viele allein schon aufgrund ihres Knochenbaus auch mit harter Arbeit nicht erreichbar.

Selfie-Queen Kim Kardashian ist zwar derzeit hochschwanger, bald nach der Geburt will sie aber wieder mit ihrem Taillentraining beginnen.

Doch das Internet ist voller vermeintlicher Zaubertricks: "Der Kern wird komprimiert, die Temperatur steigt, der Schweißfluss wird angeregt. Gifte und Unreinheiten werden über die Haut ausgeschieden und die Fettzellen mobilisiert", lautet etwa der Werbetext für Korsetts bei einem Online-Versandhandel. Ein großes Thema seien diese Korsetts zwar nicht, vermutet Niebauer. Immer wieder kommen ihm aber solche Methoden unter, mit denen lokal Fett weggeschmolzen werden soll: "Wissenschaftliche Studien belegen aber, dass das nicht funktioniert."

Gequetschte Organe und Atemnot

Die Korsetts, die aus unterschiedlichen Materialien, beispielsweise Latex, bestehen und die – möglichst eng eingestellt – je nach Hersteller bis zu zehn Stunden pro Tag unter der Kleidung getragen werden sollen, sind wirkungslos, sagt der Mediziner. Unangenehm sind sie wohl auch, da sie die Bewegungsfreiheit stark eingesschränken, wie ein Blick in Onlineforen bestätigt. Am Anfang dürfte man Hilfe beim Zuschnüren benötigen, räumt ein Hersteller auf seiner Webseite ein. Auch für Männer gibt es die Produkte und selbst für Menschen, die gleichzeitig ihre Taille reduzieren und ihren Hintern anheben wollen – was dann nicht mehr ganz alltagstauglich aussieht.

Die Erfolgsgeschichten angeblicher Konsumenten zweifelt Niebauer an: "Wer das acht Stunden trägt und dann seinen Taillenumfang misst, der ist natürlich voreingenommen", sagt er. Alleine das würde unterschiedliche Vorher-Nachher-Messergebnisse schon erklären. Und auch die Größenordnung sei wichtig: Ein wenig Taillenumfang kann man kurzfristig wohl tatsächlich verlieren, wenn über Stunden das Wasser ober- und unterhalb der Taille gestaut wird. Innerhalb kürzester Zeit geht der Umfang aber in den Ausgangszustand zurück.

Immer wieder wird aber auch von gesundheitlichen Risiken der Korsetts gewarnt – etwa, dass sich die Organe durch die Kompression verschieben könnten. Zeitzeuginnen der Kaiserin Elisabeth sollen nach Jahren der strengen Schnürung unter gequetschten Organen gelitten haben, an der sogenannten "Schnürleber" oder einer geknickten Gebärmutter.

Selbst die Rippen könnten sich durch das Tragen der Korsetts auf Dauer verformen, warnen Kritiker. Dass das Tragen moderner Korsetts gefährlich ist, bezweifelt Niebauer aber: "Im Wesentlichen ist das Geschäftemacherei. Natürlich kommt es zu einer Verlagerung der Organe. Dazu kommt es auch, wenn man liegt, geht und steht." Außerdem bezweifelt er, dass sich Korsettträgerinnen heute so einschnüren, dass sie tatsächlich nicht mehr atmen können – und dann, so wie früher, in Ohnmacht fallen.

Psychologischer Effekt

Möglicherweise gibt es auch einen psychologischen Effekt für Leidensfähige. Manche glauben etwa, dass man sich bewusster ernährt und weniger isst, wenn man ein Mieder trägt, weil der Magen eingeschnürt ist. Niebauer vermutet zudem, dass manche erkennen, wie sie aussehen wollen und daher beginnen, mehr Sport zu machen.

Selbst für den Sport gibt es eigene Korsetts. Davon rät der Experte aber ab: Denn damit fällt das Atmen schwer – und daher ist mit ziemlichen Leistungseinbußen zu rechnen: "Und man wird auch sehr stark schwitzen." Zwar werde der Energieverbrauch dank höherem Atemwiderstand tatsächlich erhöht, also mehr Kalorien verbrannt: "Viel wird das aber nicht sein." Außerdem werde die Wirbelsäule gestützt und die Haltemuskulatur entlastet – und dadurch wiederum weniger Energie verbraucht.

Wer also tatsächlich gezielt seine Taille in Angriff nehmen will, dem rät Niebauer zum Training mit Hula-Hoop-Reifen. Dass durch ein bestimmtes Workout gezielt an einer Stelle Fett verbrannt wird, sei ein weit verbreiter Irrglaube, sagt der Mediziner. "Aber in dem trainierten Bereich wird die Muskulatur gekräftigt und dadurch auch die darüber liegende Haut." Übungen wie Sit-Ups und Planks, die regelmäßig durchgeführt werden, reichen dafür schon aus: "Und wahrscheinlich braucht man länger, so ein Korsett anzuziehen, als all diese Übungen zu machen." Schließlich soll Kaiserin Elisabeth für das Schnüren ihres Mieders jeden Tag eine Stunde gebraucht haben. (Franziska Zoidl, 14.10.2015)