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In Eisenerz hatte man bis jetzt vor allem mit Abwanderung zu kämpfen. Nun sollen Flüchtlinge aufgenommen werden.

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Bürgermeisterin Angelika Schwarzmann (ÖVP): "Beschäftigung für Flüchtlinge ist wesentliche Voraussetzung zur Integration."

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Eisenerz, wo nicht Zuwanderung das Problem ist

Zuwanderung ist kein Problem, unter dem das steirische Eisenerz zu leiden hätte. Im Gegenteil. Die Bergbaustadt ist ein Paradebeispiel für postindustrielle Abwanderung: 1956 zählte man über 12.000 Einwohner, heute nicht einmal 4.300. Die Jugend geht fort, die Stadt hat österreichweit den höchsten Altersdurchschnitt.

Doch fürs Jammern ist Bürgermeisterin Christine Holzweber (SPÖ) nicht zu haben. "Wir waren die Ersten, die gesagt haben, wir stellen uns dieser Realität." Vor Jahren begann man den von Soziologen begleiteten geordneten Rückbau mit dem Abriss von Häusern. Aber man habe auch Zukunftsprojekte: etwa ein Forschungszentrum in stillgelegten Stollen und ein nordisches Ausbildungszentrum. Auch wenn es freilich zu wenig Jobs gebe: "Der Erzberg steht in voller Blüte", betont Holzweber, "dort wird so viel Erz abgebaut wie lange nicht, nur nicht mehr unter Tage und mit weniger Arbeitern". Eine alte Arbeitersiedlung wurde zum Tourismusprojekt. In Leerstände, wie jene, die das Alternativfestival Rostfest mit Urban Camping bespielt, können aber keine Flüchtlinge ziehen – sie hätten weder Strom noch Wasser.

Doch in eine andere Siedlung sollen im Oktober rund 45 Flüchtlinge einziehen. Mittwochabend lud die Stadtchefin zum Infoabend. Rund 300 kamen. "Es gab eine faire Diskussion", sagt sie, "ich habe gesagt, jeder kann reden, solang er will, wenn es keine Untergriffe gibt." Am Ende sei "der überwiegende Teil positiv gewesen, viele haben sich in Listen zum Helfen eingetragen", so Holzweber zuversichtlich. Aus dem Rostfest-Umfeld gab es schon im Vorfeld eine Facebook-Initiative für die Aufnahme von Flüchtlingen.

Holzweber räumt aber ein: "Ein Teil ist noch abwartend. Ich habe auch klar gesagt, wenn jemand nicht helfen will oder kann, wird er nicht schief angeschaut. Aber ich fordere, dass auch die, die helfen wollen, nicht schief angeschaut werden." Man sei auch im Austausch mit der Nachbargemeinde Vordernberg, wo das – mittlerweile geteilte – Schubhaftzentrum steht. Dort gebe es gute Erfahrungen. Auch wenn 75 nach Eisenerz kommen sollten, ist Holzweber sicher: "Wir packen das!" (Colette M. Schmidt)


Alberschwende: Schnupperwoche für Flüchtlinge

So ein Glück wie Laith, Ibrahim, Azad und Kollegen haben nur wenige Flüchtlinge. Die acht Männer aus Syrien landeten Ende Jänner in Alberschwende, einer 3200-Menschen-Gemeinde im Bregenzerwald. Irrtümlich. Denn als sogenannte "Dublin-Fälle" hätte man sie nicht aus dem Bezirk des Erstaufnahmezentrums wegschicken dürfen. Kaum in Alberschwende angekommen, drohte den Männern die Rückstellung nach Ungarn oder Italien.

"Das kann doch nicht sein", dachte sich Bürgermeisterin Angelika Schwarzmann (ÖVP), "da haben wir uns so bemüht, Unterkünfte zu finden, und dann schickt man uns Menschen, um sie uns gleich wieder zu nehmen?" Schwarzmann beschloss, Menschlichkeit vor Dublin-Verordnung zu stellen. Vehemente Unterstützung kam aus der Familie. Ehemann Erich und Sohn Jodok gründeten die Initiative "Wir sind Asyl".

Abschiebungen und Rückstellungen wurden verhindert, heute haben alle Männer eine weiße Karte oder sind anerkannte Flüchtlinge. "Zwei konnten am Freitag ihre Familien am Flughafen Schwechat abholen", freut sich Angelika Schwarzmann. Weniger erfreulich: "Andere warten seit Juni auf ihre Interviews, die Verfahren dauern lange."

Die Arbeit der Alberschwender geht weiter. 20 Menschen engagieren sich täglich ehrenamtlich für und mit den Flüchtlingen, sagt Schwarzmann. "Dabei sind intensive Freundschaften entstanden, zwischen Einheimischen und Flüchtlingen, aber auch unter Alberschwendern, die sich vorher nicht so gut gekannt hatten."

Gemeinsam sucht man nun landesweit nach Wohnungen und Arbeit für die Flüchtlinge. Dazu wurde das Selbsthilfeprojekt "Wir sind aktiv" gegründet. Koordiniert von Laith Alfandi und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern wurde eine Drehscheibe für arbeitsuchende Flüchtlinge und Unternehmen eingerichtet. Schwarzmann: "Wir versuchen, Unternehmen zu finden, die Flüchtlinge eine Woche lang zum Schnuppern in ihrem Betrieb aufnehmen." Alles im Rahmen der Gesetze, betont Schwarzmann und freut sich über erste Erfolge: "Es gibt bereits eine Einstellungszusage."

Auf Angelika Schwarzmann wartet die nächste Herausforderung. Zur Erfüllung der 1,5-Prozent-Quote braucht sie Quartiere für 45 Menschen. "Gemeinsam schaffen wir auch das", ist sie überzeugt. (Jutta Berger)


Willkommen im Mostviertel

Mit dem zunehmenden Flüchtlingsstrom habe sich etwas geändert im Mostviertel, sagt Johann Pöcksteiner, Scheibbser Polytechnikum-Lehrer und Obmann des Vereins "Willkommen – Verein zum Finden einer neuen Heimat". Zum Positiven: "Jetzt gibt es viel mehr Bewusstsein in der Bevölkerung, mehr Bereitschaft zu helfen." Pöcksteiner hat gemeinsam mit der Frankenfelsner Landwirtin Birgit Fallmann 2014 den Verein gegründet. Auch sie sei letzten Endes überrascht gewesen, wie wenige negative Rückmeldungen es gegeben habe.

Dennoch, das strikte Nebeneinander, die Berührungsängste seien schwer zu überwinden. Im Verein werden Deutschkurse, Flüchtlingscafés, Grillfeste und Konzertbesuche organisiert. Eines der größten Probleme auf dem Land ist mangelnde Mobilität. "Wenn ich Freikarten für ein Konzert bekomme, muss ich die Leute dort hinbekommen", so Fallmann. Wichtig sei, Mitfahrgelegenheiten zu bieten, zu Festen oder nur zum Einkaufen.

Gerade für Jugendliche, die in der Abgeschiedenheit zur Untätigkeit verdammt sind, sei es schwierig. Oft werden sie depressiv. "Speziell in Niederösterreich haben wir das Problem, dass Jugendliche ab 15 Jahren keinen Unterricht bekommen, wenn sie nicht ausreichend Deutsch können", erklärt Pöcksteiner. "Der Landesschulrat sagt Nein, selbst wenn eine Polytechnische Schule zusagt. Nach der neunten Schulstufe ist da Schluss." In Wien, Oberösterreich und der Steiermark sei das anders, genauso wie in Bundesschulen wie dem Scheibbser Gymnasium. Zwei kurdische Mädchen aus Syrien, erst wenige Jahre hier, maturieren dort heuer. Eine davon gewann sogar schon einen Redewettbewerb.

Für eine gelungene Integration müsse aber auch von den Flüchtlingen etwas kommen, gibt Fallmann zu bedenken. "Es ist bigott, von dem profitieren zu wollen, was bei uns funktioniert, dann aber die hiesigen Moralvorstellungen verwerflich zu finden." Es habe etwa lange gedauert, bis eine Afghanin ihre Töchter hat schwimmen gehen lassen. Fallmann: "Man kann nicht in einer Generation alles umdrehen. Das braucht alles viel Zeit und Kommunikation." (Alois Pumhösel)


Wenn die Crowd zusammenhilft

Wien – Wie geht es weiter? Auf diese Frage haben oder wagen politische Verantwortliche in der Asylkrise kaum eine Antwort. Eine Initiative gibt sich damit nicht zufrieden: Der Verein Respekt.net hat den Call4Europe ins Leben gerufen, mit dessen Hilfe "nachhaltige Konzepte und Projekte" aus der Zivilgesellschaft realisiert werden sollen, die sich mit künftigen Herausforderungen Europas beschäftigen und dabei helfen könnten, "Flüchtlinge in alle Bereiche der Gesellschaft zu integrieren", wie Vereinspräsident Martin Winkler sagte. Bis 16. Oktober läuft die Einreichfrist.

Bei Projekten, die es in den Call4Europe schaffen, wird die Hälfte der Projektkosten – je maximal 20.000 Euro – mittels Verdoppelungsspende von Respekt.net getragen. Die zweite Hälfte ist auf der Online-Plattform via Crowdfunding zu sammeln. Eine Jury, der unter anderem Irmgard Griss, ehemals Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, sowie der frühere EU-Kommissar Franz Fischler angehören, entscheidet, welche Einreichungen Zusatzspenden erhalten. Insgesamt stehen 100.000 Euro zur Verfügung.

Unter anderem bewirbt sich das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte, das sich den Migrationsbewegungen wissenschaftlich nähern will, wie Margit Ammer, Asylrechtsexpertin des Instituts, ausführte. Dabei könne es etwa um die Frage gehen, welche Alternativen es zum Dublin-System gäbe.

Tina Deutsch will hingegen den CultureGym an allen Schulen Österreichs und später in weiteren europäischen Ländern etablieren. Ihr schwebt ein Tourbus vor, in dem Schüler unter anderem mit Flüchtlingen ins Gespräch kommen und kulturelle Kompetenzen erlernen könnten. (Gudrun Springer, 19.9.2015)