Ein Theater der suspendierten Zeit, das neue Spielräume schafft: einer von Emily Roysdons Räumen in der Secession.

Foto: Iris Ranzinger

Wien – Wie kann diese Welt besser gemacht werden? Eine alte Frage, die immer wieder neu gestellt werden muss. Für die New Yorker Künstlerin Emily Roysdon bildet sie den Antrieb ihres Schaffens. Wie sehr, das zeigt die 38-Jährige gerade in ihrer Ausstellung Comedy on Margin Theatre in der Wiener Secession.

Als Einleitung dafür gab es die Performance Emily Roysdon feat. Morgan Bassichis auf der Augartenbühne der TBA21. Dort trug Roysdon ihren Text Uncounted vor. Gekleidet war sie in ein Kostüm, das der italienische Surrealist Giorgio de Chirico für eine Figur im Tanzstück Le Bal der Ballets russes von 1929 entworfen hat. Le Bal war die letzte Produktion der Gruppe gewesen, die nach dem Tod ihres schillernden Impresarios Serge Diaghilev im August desselben Jahres aufgelöst wurde.

Dieses Kostüm, eine Verbindung aus Architektur und Körper, trug Roysdon wie eine Ganzkörpermaske – die Rückseite der Performerin blieb unbekleidet. Folgerichtig, denn Thema in Le Bal war die Ambivalenz der Maske. Absichtsvoll ambivalent war auch der Zwischenauftritt des US-Autors und Performers Morgan Bassichis. Er machte sich über Beziehungsmuster, den Impakt der Schwulenehe auf solche und verkrustete politische Korrektheit lustig, und er sorgte so für einen queeren (Stand-up-)Comedy-Aspekt. Mit dem Fazit: Auch Spaßmachen ist eine Maske.

Uhren mit Wellenfrisuren

Wie Larven wirken in der Secession die insgesamt etwa dreißig Uhren, die bei allen drei Installationen von Roysdons Schau präsent sind. Die dreieckigen Zeitmesser mit ihren Wellenfrisuren erinnern an Kiki Kogelniks berühmte Köpfe aus Muranoglas. Anstelle von Gesichtern bilden Zeiger die synchronen Mimiken dieser Masken, deren Anordnungen an Bauten, Landschaften oder Bühnenfiguren denken lassen. Einer der Zeiger weist die Form einer Linie auf, der andere jene von Wellen.

Die Wände der drei von ihr gestalteten Räume hat Roysdon in jeweils verschiedenen Farben gestrichen. Die erste Installation in dieser Bauhaus-Atmosphäre wirkt wie eine Landschaft mit Zeithorizont: Zwanzig Uhren auf einer Stellwand erzeugen den Eindruck eines Wellenkamms. Ein Durchgangsraum. Wie eine Schleuse bremst er die Besucher ab, bevor sie in zwei Settings kommen, die Roysdons Theateridee enthalten.

Theater der Ränder

Erst zeigt ein wandgroßes Foto die Künstlerin hinter einer durch eine Glasfläche begrenzten Bühne. Über Roysdons Brust steht geschrieben: "Cancelled TIME." Ihre Überlegungen zu einem Theater der Ränder und Spielräume in einer "ausgesetzten Zeit" formuliert Roysdon dann im dritten Raum: Ein Textfeld, einzelne Sätze, ein Foto mit zwei in den Raum ragenden Beinen auf dem Boden sowie zwei neutrale Kostüme und Uhren auf Ständern führen in ihr philosophisches Universum.

Das Textfeld enthält Formeln über ein "national theatre of limits". Über den Boden geschriebene Sätze und Zeichen geben einen choreografischen Score vor. Und eine Anmerkung in Handschrift stammt von Bertolt Brechts Sohn Stefan: "I tell hir my problem is the rush of time. Ze tells me there is no time." Die geschlechtsneutrale Schreibweise stammt von der Künstlerin.

Möglichkeiten für eine bessere Welt sieht Emily Roysdon in einem veränderten Handeln, das ein Denken zwischen den Dingen, deren Ränder und Spielräume berücksichtigt: "Was ist eine Wende, die keine Lösung ist?" Sehr postmodern. (Helmut Ploebst, 23.9.2015)