Ein Fauchen und Röcheln, weit aufgerissenes Maul, hinausgestreckte, vibrierende Zunge. Hassan, der angeblich Schöne, will seinem Namen heute einfach nicht gerecht werden. Während ihn sein Besitzer mit aller Kraft vom Pick-up zu zerren versucht, stemmt sich Hassan, Schaum vorm Mund, gegen die Bordwand, rutscht mit den Hufen über den alten, besudelten Teppich auf der Ladefläche und zeigt dem Himmel sein Gebiss. "Das ist ein besonders Sturer", sagt Abu Khalid. "Kamele tun prinzipiell nie das, was man will, aber Hassan ist ein ganz spezieller Fall. Da hilft jetzt nur noch die Peitsche." Holt aus. Und schnalzt.

Der 52-jährige Sudanese arbeitet schon seit vielen Jahren auf dem Mezyad-Kamelmarkt in Al Ain, dem größten seiner Art in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Mit rund 1.000 Tieren, die hier Tag für Tag gehandelt und versteigert werden, ist die einstige Wüstenoase Al Ain, heute florierende Universitätsstadt und mit 600.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Emirats Abu Dhabi, die wichtigste Kamelbörse der Region.

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Al Ain im Emirat Abu Dhabi war einst Wüstenoase und ist heute eine florierende Universitätsstadt. Reisende kennen sie vor allem wegen des großen Kamelmarkts.

Und noch einmal Peitsche. Hassan wird immer lauter, Khalids Idee, das Kamel über die bereits angelehnte Rampe vom Pick-up zu holen, erscheint immer hirnrissiger. Fauchen, Stöhnen, Schnalzen. Nach ein paar Hieben wechselt Khalid die Methode und lockt den Hübschen, der am nächsten Tag erhoffte 12.000 Dirham, rund 3.000 Euro, einbringen soll, mit einem Bündel Gras. Und siehe da, als wäre nichts gewesen, reckt Hassan stolz seinen Hals, zeigt eine vornehme Arroganz und begibt sich mit geschmeidigen Schritten und Wimpernschlägen in Richtung Ziel.

Rennen und Lasten

"In der Regel habe ich Rennkamele im Angebot. Die bringen je nach Qualität bis zu 100.000, in seltenen Fällen bis zu 200.000 Dirham – also fast 50.000 Euro -, manchmal sogar mehr", erzählt Khalid. "Aber Hassan ist dafür schon zu alt und vor allem zu störrisch. Dafür ist er ein guter Lastenträger." Kurze Pause. Ein Seufzer. Dann ein Bekenntnis: "Ganz ehrlich? Als Touristenkamel würde ich dieses Tier mit seinem eigenwilligen Charakter nicht einsetzen."

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Kamele können durchaus stur sein.

Hassan wird an der kurzen Leine zu seiner temporären Schlafstatt geleitet. Ein simpler Betonpavillon, der in seiner Anmutung und Farbgestaltung etwas unbeholfen an die traditionellen, kaum noch existierenden Lehmbauten Arabiens erinnern soll, erwartet das Tier mit Heu und blechernem Futtertrog. 200 dieser überdachten Boxen gibt es insgesamt, mehrere größere Plätze säumend, auf denen sich Mensch, Tier und Fahrzeuge tummeln. Gittertor auf, Gittertor zu, die Leine bleibt dran. "Vertraue auf Allah, aber binde dein Kamel an", besagt ein arabisches Sprichwort.

Mall mit Kamel

"Früher war der Kamelmarkt mitten in der Stadt", erzählt Ben Harmal, Geschäftsführer und Manager des Mezyad. "Aber nachdem Al Ain immer größer und größer wurde, mussten wir einen neuen Platz finden." Heute befindet sich der Kamelmarkt an der Mezyad-Straße am nördlichen Stadtrand, mitten im Wüstensand, nur wenige Schritte hinter der Shopping-Mall Bawadi mit ihren Zara- und H&M-Geschäften. "Wir haben deutlich mehr Platz als früher. Es gibt mehr Autos, mehr Händler, mehr Geld. Und natürlich auch mehr Schaubesucher aus dem Ausland, die ein bisschen Bakschisch hierlassen", sagt Harmal.

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Foto: picturedesk / Bill Young / Danita Delimont

Insgesamt, besagen Schätzungen, gibt es allein in den Vereinigten Arabischen Emiraten rund 200.000 Dromedare und Kamele. Die schwarzen Tiere kommen aus Saudi-Arabien, die braunen aus Afghanistan, die hellen, fast weißen aus dem Sudan. "Das Wichtigste ist, dass die Tiere nicht zu lang bei uns bleiben", sagt Nasif Khan. Der 20-jährige Afghane kümmert sich um die Pflege der Kamele sowie um den täglichen zwei Kilometer langen Morgenspaziergang. "Wir müssen sie waschen, kämmen und füttern. Und das Futter ist ganz schön teuer." Rund 500 Dirham, etwa 120 Euro, kostet das in diesen kargen Gefilden kostbare Gras pro Box und Woche. Je schneller die Tiere den Markt wieder verlassen, desto größer die Gewinnspanne für den Betreiber.

Kein guter Platz für Beobachter

Damit die einfachen Lasten- und Fleischtiere von ihren wertvolleren Milch- oder Rennkollegen unterschieden werden können, bekommen sie von Nasif ein Brandzeichen an den Hals: ein "HR" in lateinischen Lettern, das Logo des Händlers. Das Eisen ist jetzt heiß. Nasif nähert sich vorsichtig. Hassan brüllt einen Urschrei aus tiefster Kehle und schleudert dabei nicht nur Kamelspeichel, sondern auch Essensreste auf sein Gegenüber. Kein guter Platz für Beobachter.

Foto: Wojciech Czaja

Sechs Uhr früh. Ein warmer, animalischer Geruch liegt in der Luft. Mit dem Sonnenaufgang und dem Schrei der Hähne verwandelt sich der Mezyad-Kamelmarkt in einen Fuhrpark fast ausschließlich deutscher und britischer Fahrzeuge mit weißem Blech und dunkel getönten Scheiben. Männer in frisch gestärkten Dischdascha-Kleidern und Ghutra-Kopftüchern steigen entweder aus einem Bentley, Mercedes oder Porsche Cayenne. Gut 40 Interessenten sind an diesem Morgen gekommen. Die Auktion kann beginnen.

Kundschaft

"Ich kann jetzt nicht", antwortet Abu Khalid ganz hektisch auf die Begrüßung der Gaffer. "Keine Zeit, keine Zeit! Salem Aleikum!" Hektisch läuft der Kamelhändler zu kaufwilliger Kundschaft, im Schlepptau Hassan und andere Kamele. Auch Lala ist mit von der Partie, Hassans jüngere Schwester, ein Milchkamel. Kamelmilch, muss man wissen, hat sich in den letzten Jahren zu einem lukrativen Nischenprodukt entwickelt. Sie enthält nicht nur weniger Fett als Kuhmilch, sondern auch viele Proteine und bis zu fünfmal mehr Vitamin C. Und das bei einem Output von drei bis zehn Litern pro Tag und Tier.

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Kamelkühe geben protein- und Vitamin-C-reiche Milch.

Jetzt wird geschrien, geflucht und gefuchtelt. In wenigen Sekunden spielt sich das ab, worauf sich Khalid den gesamten gestrigen Nachmittag vorbereitet hat. Nach ein, zwei Minuten ist die Auktion vorbei. Erst werden Geldbündel gereicht, dann folgen Umarmungen. Die Leine wechselt die Hand. Hassan hat den erhofften Preis nicht ganz eingebracht. 2.500 Euro sind's geworden. Seine Milchschwester Lala wechselt immerhin für satte 5.000 Euro den Besitzer.

"Bin ich froh, dass ich den losgeworden bin", sagt Khalid. "Keine einfache Natur, dieser Hassan." Bald kommen neue Kamele, dann wird wieder gezogen, geflucht und gepeitscht. (Wojciech Czaja, Rondo, 25.9.2015)