Gilles Clément, "Gärten, Landschaft und das Genie der Natur. Vom ökologischen Denken". Aus dem Französischen von Brita Reimers. € 10,30 / 64 Seiten. Matthes & Seitz, Berlin 2015

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So schmal dieses Bändchen des Franzosen Gilles Clément ist, so viel Sprengstoff enthält es. Auch wenn es ein friedliches, ein ganz friedvolles, ein scheinbar idyllisches Thema behandelt: den Garten.

Gilles Clément, 1943 geboren, Professor an der École Nationale Supérieure du Paysage in Versailles, Gärtner und Gartenentwerfer, der unter anderem die Gestaltung des Jardin du Musée du quai Branly in Paris, des Parc Matisse in Euralille, aber auch der Gärten der Schlösser von Blois und Châtenay-en-France 25 Kilometer nördlich von Paris verantwortete, sorgte vor einigen Jahren für Aufsehen. Weniger durch sein politisches Engagement in einer grünen Graswurzelbewegung als vielmehr mit der Ankündigung, nie mehr Aufträge für den Staat Frankreich durchzuführen, da dieser beim Naturschutz auf ganzer Linie schmählichst versage.

Gärten, Landschaft und das Genie der Natur ist der Text von Cléments Antrittsvorlesung als Gastprofessor für Création Artistique am renommierten Collège de France zu Paris im Wintersemester 2011/2012. Schon nach wenigen Sätzen stutzt man nachhaltig, behauptet doch da der außerordentlich produktive Fauna-und-Flora-Intellektuelle: "Ich denke aber, man lehrt den Garten nicht, sondern er belehrt uns."

Was folgt, ist ein geschmeidiges, leporelloartiges Auseinanderfalten eines Konzepts namens Garten, das über banales Setzen und Ziehen und Teichanlegen hinausgeht. Der Garten, eingezäunt, umhegt, entpuppt sich vielmehr als planetarischer Kreuzungspunkt. Somit als hochpolitischer Ort von Migration, Vermischung, überraschend Neuem, Ungesteuertem, von Beziehungen, Spiegelungen und von Träumen. Einer der schönen Schlüsselsätze des konzisen Formulierers Clément lautet denn auch: "Der Garten ist im Gärtner."

Der Garten als biedermeierlicher Rückzugsort ist keineswegs ein solcher. Im Gegenteil, der Garten ist eine sozialpolitische Vision, ein Gegenbild zu einer sich radikalisierenden Ökonomie, die blind technokratisch auf Ausbeutung und raschesten Gewinn abzielt. Einen Garten anlegen, pflegen, im Garten arbeiten ist utilitaristisch eine Verschwendung von Ressourcen und Zeit, psychologisch allerdings eine, so Clément, "Gegenlektion": ein Anhalten der Zeit, eine Rückgewinnung von Beglückendem.

Ein Büchlein für die Westentasche ist dies, für die, die einen Garten haben. Wie für jene, die sich nach einem sehnen. Ein Band, der gleich neben die vom Temperament leicht anders gearteten, ähnlich klugen Essaybände des amerikanischen Dichters, Farmers und Ökologen Wendell Berry gehört, neben die instruktiven Bücher der New Yorker Reporterin Elizabeth Kolbert und des Autors und Aktivisten Bill McKibben aus Vermont. (Alexander Kluy, Album, 25.9.2015)