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Gewerkschafter Wolf erklärt den Pferdefuß bei einem Sozialplan ohne Betriebsräte.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wien – Vor kurzem hat an dieser Stelle Anwalt Philipp J. Maier das Modell eines Sozialplans ohne Betriebsräte vorgestellt. Das Baumax-Modell wurde als Beleg dafür verwendet, dass gewählte Arbeitnehmervertreter nicht unbedingt die Voraussetzung dafür sind, betriebliche Krisen oder Strukturänderungen für die Beschäftigten sozial verträglich abzuwickeln.

Nur in einem Nebensatz am Ende wurde der Pferdefuß dieses "Mustermodells" erwähnt: Freiwillige Sozialpakete erreichen niemals dieselben Rechtswirkungen wie eine rechtmäßig abgeschlossene Betriebsvereinbarung, weil sie auf einer völlig anderen Rechtsgrundlage aufbauen.

Normwirkung

Betriebsvereinbarungen sind schriftliche Vereinbarungen zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat, die nach ihrem Abschluss unmittelbare Normwirkung auf die Arbeitsverträge haben. Es handelt sich dabei um kollektive Rechtsgestaltung, die Arbeitnehmeransprüche rechtsverbindlich festschreibt.

Das Arbeitsverfassungsgesetz sieht gem. § 97, Absatz 1, Ziffer 4 explizit vor, dass im Falle von Betriebsänderungen oder -stilllegungen eine Betriebsvereinbarung zur Beseitigung und Milderung der Folgen abgeschlossen werden kann, wenn die vorgesehenen Maßnahmen für einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerschaft wesentliche Nachteile mit sich bringen. Solche Vereinbarungen können auch per Schlichtung "erzwungen" werden.

Freiwillige Sozialpakete sind hingegen nichts anderes als Verträge zugunsten Dritter (881 ABGB). Diese werden erst dann wirksam, wenn sie schriftlich, mündlich oder durch schlüssige Handlung in den einzelnen Dienstvertrag aufgenommen werden. Das kann auch bedeuten, dass einzelne Arbeitnehmer von der Anwendung ausgeschlossen werden, wobei hier auch der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist. Ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Übernahme besteht nicht. Der einzelne Arbeitnehmer wird in eine Art Bittstellerrolle gedrängt.

Informationsrechte

Noch wichtiger als die Frage Sozialplan oder Sozialpaket sind die Informations- und Beratungsrechte, die einem Betriebsrat in einer derart schwierigen Situation zur Verfügung stehen. Wenn Gerüchte die Runde machen und die Beschäftigten verunsichert werden, sind gerade diese Rechte Gold wert. Informierte Beschäftigte fühlen sich sicherer und ergreifen nicht gleich die Flucht. Die Belegschaft der Zentrale von Baumax hätte nicht wochenlang rätseln brauchen, wie es weitergeht.

Ein Betriebsrat hätte das Recht gehabt, die notwendigen Informationen einzufordern. Durch Mitwirkung im Aufsichtsrat und Nutzung der wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechte (z. B. Prüfung der Bilanzen) hätten allfällige Fehlentwicklung vielleicht schon früher sichtbar und auf betrieblicher Ebene diskutierbar gemacht werden können.

Auch bei Baumax gibt es an einzelnen Standorten Betriebsräte. Sie waren die Ersten, die mit dem Management in Verhandlungen traten; zuerst nur für ihre Standorte und dann gemeinsam mit der Gewerkschaft GPA-djp und einem gewählten Vertrauenskomitee der Zentrale für alle Bereiche. Es bleibt dahingestellt, ob auch bei einem völligen Fehlen von Betriebsratskörperschaften ein gerechtes Sozialpaket für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möglich gewesen wäre.

Orientierung benötigt

Für den Moment mag es einfacher erscheinen, sich bei komplexen Prozessen wie einem Betriebsübergang nicht mit "lästigen" Betriebsräten herumschlagen zu müssen. Mittel- und langfristig kann sich das rächen. Erfahrungsgemäß gehen die besten Arbeitnehmer zuerst, vor allem wenn sie verunsichert sind und keine Perspektive sehen. Das kann krisenhafte Entwicklungen verstärken bzw. Strukturänderungen behindern oder gar verunmöglichen.

In einer Situation, in der Menschen Zukunftspläne ändern müssen und Existenzsorgen haben, braucht es Orientierung, Perspektiven und verbindliche Spielregeln zur Absicherung – eben einen Sozialplan. Freiwillige Sozialpakete, die auf dem Goodwill des Arbeitgebers beruhen und auf rechtlich schwachen Beinen stehen, sind keine brauchbare Alternative. (Manfred Wolf, 28.9.2015)