Für politische Kommunikation gilt: Noch wichtiger als ihr Inhalt sind ihre Eindeutigkeit und Konsistenz. Eindeutigkeit ist die zentrale Voraussetzung für Vertrauen – in Parteien und die Politik insgesamt. Umso verwunderlicher ist es, wie widersprüchlich sich Österreichs Politik zum Umgang mit Flüchtlingen äußert.

"Gesetze sind einzuhalten", hieß es jahrelang vonseiten der Regierung, wenn es um Einwanderung und Asyl ging. Dennoch war es just diese Regierung, die Ende August anders handelte. Als sie, wohl auch unter dem Eindruck dramatischer und schrecklicher Bilder, die Grenzen zu Ungarn offen ließ, drückte sie Flüchtenden gegenüber aus: "Wir lassen Sie nicht im Stich." Das war zwar, weil die meisten ohnehin nach Deutschland und Nordeuropa weiterwollten, relativ einfach (legal, weil menschenrechtlich geboten, war es übrigens auch), aber immer noch ein bemerkenswerter Schwenk. Ihren vielleicht schönsten Ausdruck fand diese Haltung am Ende eines Flugblatts, das die Gemeinde Wien an Flüchtlinge an Wiens Bahnhöfen verteilte: "You are safe. The city of Vienna."

Noch bemerkenswerter war das unüberhörbare, unübersehbare "Willkommen!" der Zivilgesellschaft, das darauf folgte. Viele der dort Engagierten werden damit allerdings noch etwas mit ausgedrückt haben: "Wir denken und handeln anders als unsere Innenministerin!"

Denn die verschickt seit Monaten ganz andere Botschaften. Spätestens seit es quer durch Österreich gelungen ist, zigtausende Flüchtlinge in kürzester Zeit in regenfesten Notquartieren unterzubringen, ist ja kaum mehr zu bezweifeln: Die Massenobdachlosigkeit in Traiskirchen war und ist kein Unfall, sondern gewollt. Auch mit ihr sollte ein Zeichen gesetzt werden: "Geht woanders hin, hier geht es euch schlecht!"

Dennoch sagen immer mehr österreichische Gemeinden und freiwillige Helfer: "Wir heißen Sie willkommen und wollen Sie möglichst rasch integrieren." Das ist eine Einstellung, über die die Politik froh sein müsste, weil sie Quartiersuche möglich macht – ohne Zwang oder große Konflikte vor Ort. Dieser Teil Österreichs hat sich entschieden: Da sind Menschen, die brauchen Schutz und Sicherheit – sie sollen ihn bekommen.

Bloß, dass die ÖVP genau dies nun völlig infrage stellt. "Asyl auf Zeit", "Kein Asyl à la carte" und "Wir werden sie nach Kroatien und Serbien zurückbringen", mit solchen Parolen wird nun fast allen Flüchtlingen ausgerichtet, schon woanders sicher gewesen zu sein, und dorthin müssten sie auch wieder zurück. "Sicherheit in Österreich? Nix da. Familiennachzug? Könnt ihr euch aufzeichnen. Integration? Wollen wir gar nicht." Das sind die Botschaften, welche die ÖVP dieser Tage sendet.

Vielleicht waren sie ja in Wahrheit an das Wahlvolk von Oberösterreich und Wien gerichtet (bislang mit wenig Erfolg). Gehört haben sie aber auch die vielen Freiwilligen an Österreichs Bahnhöfen und in Österreichs Gemeinden – und nicht zuletzt deren Bürgermeister. Die müssen sich nun fragen: Wofür arbeiten wir eigentlich an ordentlicher Unterbringung und Integration, wenn unseren Schützlingen angedroht wird, dass sie allesamt wieder außer Landes geschafft werden?

Das ist fatal. Die Bereitschaft all dieser Menschen zu ehrenamtlichem Engagement wird von einem Teil der Regierung unterlaufen und konterkariert. So kann Integration nicht glücken, so ist das Scheitern programmiert. Es scheint dringend an der Zeit, dass die Bundesregierung sich auf eine Vorgangsweise, ein gemeinsames Ziel und auf eine gemeinsame Sprachregelung einigt. Klarheit schafft nicht nur Vertrauen, sie ist auch die elementarste Voraussetzung für alle Handlungen aller Beteiligten in diesem Bereich. Nichts aber fehlt so sehr wie diese Klarheit – ausgerechnet in der wichtigsten Frage dieses Jahrzehnts.

"Red Deutsch mit mir!" ist eine Forderung, die an Flüchtlinge gern gestellt wird. Die Bundesregierung sollte diesen Satz in ihr eigenes Stammbuch schreiben. (Georg Bürstmayr, 30.9.2015)