Still aus einem Wahlfilm aus dem Jahr 1959.

Foto: Östererichisches Filmmuseum

Wien – Als am 14. April 1945 in Stammersdorf die letzten Schüsse des Zweiten Weltkriegs auf Wiener Stadtgebiet fielen, trafen im Roten Salon des Rathauses immer mehr Sozialisten ein. In dem von Bombentreffern gezeichneten Haus erweckten sie die 1888 gegründete Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) wieder zum Leben. Am 17. April kamen auch die Vertreter der zweiten großen politischen Strömung im Land zusammen, um im Schottenstift die Österreichische Volkspartei (ÖVP) zu gründen. Am 23. April stellten untergetauchte Kommunisten und zurückgekehrte Exilanten die KPÖ auf neue Beine.

Die drei Parteien standen als Einzige auf dem Stimmzettel der ersten Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl in der Zweiten Republik. An diesem 25. November 1945 lechzten die Wiener nach Demokratie, 94,8 Prozent betrug die Wahlbeteiligung. Mit 57,2 Prozent votierten die meisten für die SPÖ und bestätigten so den interimistischen Bürgermeister Theodor Körner im Amt. 34,9 Prozent gaben der ÖVP und 7,9 Prozent der KPÖ ihr Vertrauen. Die 58 Mandate – davon 14 von Frauen besetzt – bescherten der SPÖ eine Mehrheit, die sie bis heute nicht wieder abgeben sollte.

Jahrzehnte mit nur einem Ausreißer

Die absolute Mehrheit ging ihr allerdings schon bei der darauffolgenden Wahl 1949 mit 49,9 Prozent wieder verloren. Ein Grund dafür war der erstmalige Antritt der Wahlpartei der Unabhängigen (WdU). Die Vertreter des dritten Lagers vereinten zwar auf Anhieb 6,8 Prozent der Wähler hinter sich, blieben aber auch nach ihrer 1956 erfolgten Umbenennung in FPÖ bis in die 1980er-Jahre stets unter der Zehn-Prozent-Marke.

Über Jahrzehnte veränderte sich die Zusammensetzung des Wiener Landtags also kaum; einziger Ausreißer war die Legislaturperiode nach der Wahl 1969: Die KPÖ musste sich dauerhaft aus der Stadtvertretung verabschieden, dafür zog Franz Olahs DFP einmalig ein.

Neue Zeiten gegen Ende des Jahrhunderts

1987 kündigten sich neue Zeiten an. Die FPÖ erzielte mit 9,7 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis, und mit 4,4 Prozent scheiterte eine neue politische Bewegung nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Vier Jahre später war die Zeit der Grünen gekommen: Sie errangen 9,1 Prozent, standen trotzdem im Schatten der FPÖ, die mit 22,5 Prozent ihr vormaliges Ergebnis vervielfachte.

FPÖ und Grüne profitierten in den Folgejahren stark von den Verlusten von SPÖ und ÖVP. Auch wenn es 2005 noch einmal für eine absolute Mandatsmehrheit reichte, ist die Zeit prozentuell absoluter Mehrheiten für die SPÖ seit 1991 vorüber – die ÖVP muss sich seither in Wien sogar eher am vierten Platz als am über lange Jahre gepachteten zweiten Platz orientieren. (Michael Matzenberger, 5.10.2015)