Bild nicht mehr verfügbar.

Russischer TV-Bericht über Luftangriffe in Syrien.

Foto: EPA/ANATOLY MALTSEV

STANDARD: Warum hat Wladimir Putin kurz vor dem Truppeneinsatz in Syrien ebensolche Pläne dementiert?

Lukjanow: Er hat sie ja nicht völlig abgestritten: Die Erklärungen in den letzten zwei bis drei Wochen waren ziemlich ausweichend. Als Truppeneinsatz versteht man zumeist Bodentruppen – und das wird dementiert. Derzeit geht es nur um Luftschläge. Eine Militäroperation ist zudem von Wert, wenn sie unerwartet beginnt. Interessanter ist: Obwohl die Entscheidung wohl viel früher gefallen ist, hat er sie nicht vor dem Gespräch mit Barack Obama öffentlich gemacht.

STANDARD: Warum hat dann Putin sogar bis zu seiner Rückkehr nach Moskau gewartet?

Lukjanow: Die konkreten Details hingen von der Reaktion der USA ab. Die konnte scharf oder weniger scharf ausfallen. Die Gespräche waren wohl fruchtbar. Verabredet wurde, sich in Syrien nicht in die Quere zu kommen. Danach wurde die Prozedur einer offenen Kampfbeteiligung eingeleitet.

STANDARD: Wie sieht Russlands Bevölkerung den neuen Konflikt?

Lukjanow: Bisher positiv, weil sie darin erstens einen Ausdruck der Stärke, zweitens eine Demonstration von Russlands internationaler Bedeutung und drittens einen Beweis für seine Bündnistreue sieht. Bisher nimmt die Bevölkerung den Konflikt in Syrien als reines TV-Ereignis auf – im Gegensatz zum Konflikt in der Ukraine, der viel näher für sie ist. Gibt es Probleme und Verluste, wird sich diese Einstellung wohl ändern.

STANDARD: Besteht nicht die Gefahr, dass die Gesellschaft kriegsmüde wird und Putins Image leidet?

Lukjanow: Die Geschichte zeigt, dass das russische Volk vielerlei müde wird, aber des Krieges nicht. Eher umgekehrt. Am Image Putins zehrt der Einsatz in Syrien also nicht; immer vorausgesetzt, dass es keine ernsten Probleme gibt.

STANDARD: Sie haben eine Absprache mit den USA erwähnt. War das ein Annäherungsversuch?

Lukjanow: Es ist Zeichen für einen breiteren Dialog, der über den Minsker Prozess hinausgeht. Aber das bedeutet nicht, dass Russland westliche Positionen übernimmt oder umgekehrt. Putins und Obamas Reden vor der UN-Vollversammlung waren in ihrer Gegensätzlichkeit charakteristisch. Jeder ist für sich allein. In einigen Fällen können Ziele und Interessen übereinstimmen. Ansonsten geht man getrennte Wege. (André Ballin, 2.10.2015)