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Ministerpräsident Passos Coelho – hier bei der Stimmabgabe – wird möglicherweise weiter regieren.

Foto: REUTERS/Hugo Correia

Lissabon – Im früheren Eurokrisenland Portugal sind die konservative Regierung und deren strenge Sparpolitik nach der Parlamentswahl ins Wanken geraten. Das Bündnis Portugal à Frente (Portugal voran, PàF) von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho ging zwar erneut als stärkste Kraft hervor, verlor aber die absolute Mehrheit. Die drei linken Oppositionsparteien, die die Sparpolitik beenden wollen, errangen zusammen mehr als die Hälfte aller Sitze in der Assembleia da República.

Passos bezeichnete seine Allianz dennoch als Siegerin und kündigte unter dem Jubel von Parteifreunden und Anhängern den Versuch einer Regierungsbildung an: "Wir werden dem Präsidenten der Republik sagen, dass wir zum Regieren bereitstehen." Es wäre komisch, so Passos, wenn der Wahlsieger "nicht regieren dürfte". Das Sparprogramm will er 2016 zwar fortsetzen, gab aber auch bekannt, dass er die Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst teilweise zurücknehmen wolle.

Schwierige Regierungsbildung

Der Spitzenkandidat der Sozialisten (PS) interpretierte das Ergebnis anders als Passos. Die Wähler hätten sich für einen Regierungswechsel ausgesprochen, sagte António Costa. Sowohl die PS als auch die beiden anderen Linksparteien, die den Einzug ins Parlament schafften, ließen wissen, dass man eine konservative Regierung nicht mittragen und auch das von Passos als "oberste Priorität" bezeichneten Budget für 2016 nicht absegnen werde.

Nach Einschätzung von Medienbeobachtern steht Portugal vor einer schwierigen Regierungsbildung. Es sei davon auszugehen, dass Staatsoberhaupt Aníbal Cavaco Silva zunächst die stärkste Fraktion mit der Regierungsbildung beauftragen werde.

Konservative verloren 30 Mandate

Nachdem die Konservativen 2011 gut 50 Prozent der Stimmen erhalten hatten, mussten sie sich diesmal mit rund 38,6 Prozent begnügen. Nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen kamen die Sozialisten auf 32,4 Prozent. Die CDU, ein Bündnis aus Kommunisten und Grünen, lag bei 10,2 Prozent, der marxistische Linksblock (BE) bei 8,3 Prozent.

Nach der Vergabe von 221 der 230 Parlamentssitze bekam PàF in der Nacht auf Montag nur 102 (2011: 132). Die drei linken Parteien brachten es zusammen auf 118. Zur Möglichkeit einer linken Regierungskoalition sagten die Oppositionsparteien vorerst allerdings nichts. Die restlichen neun Parlamentssitze werden erst in den nächsten Tagen nach Auszählung der Stimmen der im Ausland lebenden Portugiesen vergeben, teilte die Wahlbehörde mit.

Hilfspaket mit 78 Milliarden

Die Wahl galt auch als Abstimmung über den harten und umstrittenen Sparkurs von Passos. Der 51-jährige gelernte Ökonom hatte zwar verhindert, dass Portugal zu einem zweiten Griechenland wurde, war aber wegen der Kürzungen und Steuererhöhungen und einer "zunehmenden Verarmung der Bevölkerung" (Costa) scharf kritisiert worden. Im Wahlkampf hatte Passos vor Chaos im Fall einer linken Regierung gewarnt.

Portugal war 2011 von der EU und dem Internationalen Währungsfonds mit 78 Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrt worden. Nach drei Jahren unter dem EU-Rettungsschirm steht das Land seit Mai 2014 finanziell wieder auf eigenen Beinen. 2014 erreichte es nach drei Rezessionsjahren wieder ein Wachstum von 0,9 Prozent. (red, APA, 5.10.2015)