"Hand of God" auf Amazon Prime.

Foto: Karen Ballard/Amazon

Ronald Francis Perlman spielt den moralisch verkommenen Richter Pernell Harris.

Richter Harris ist ein Herzerl: machtbesessen, untreu, korrupt. Die ganze Stadt tanzt nach seiner Pfeife, auch der Bürgermeister ist ein treuer Diener seines Herrn. Dieser zwielichtige Mann des Gesetzes – wunderbar verkörpert von Ron Perlman (Sons of Anarchy, Die Schöne und das Biest) – steht nackt im eiskalten Brunnenwasser und "redet in Zungen". Einen Sandler hätte die Polizei eingelocht, doch Richter Harris bringt man als Cop besser eine Decke.

Es braucht ein wenig, bis man begreift, worum es eigentlich geht. Hand of God ist nicht auf Tempo ausgelegt; es geht um das Ausloten der Grenzen des Wahnsinns – schließlich ist es ja nicht normal, dass plötzlich Gott mit dir redet, oder? Darüber nachzudenken, dafür braucht man Ruhe und Geduld. Ach ja, Geduld – das ist das, was Richter Harris eben nicht hat. Dass die ihm hörige Polizei auch nach sieben Monaten noch nicht weiß, wer seine Schwiegertochter vergewaltigt hat (was zu einem Suizidversuch seines Sohnes führte), das bringt ihn aus dem Lot.

Wie gut, dass er da Trost und Rat bei Gott findet. Doch ist es der gütige, vergebende, nächstenliebende Gott, zu dem seine Auferweckungsgemeinde da betet? Oder ist das doch eher ein Gott, dem nach alttestamentarischer Rache – Auge um Auge, Zahn um Zahn – dürstet?

Gerade als man nach gut einer Stunde glaubt, verstanden zu haben, dreht sich alles wegen einiger weniger flüsterleise ausgesprochener Worte um 180 Grad. Wunderbar: So muss ein Pilot sein: eintauchen lassen, Spannung und Neugier aufbauen. Da kann man den anfänglich fehlenden Tiefgang bei der Zeichnung der Hauptcharaktere verzeihen. Wir werden sie schon noch kennenlernen; besser als uns lieb sein wird. (Gianluca Wallisch, 4.10.2015)

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