Bild nicht mehr verfügbar.

Henning Mankell verarbeitete seine Krankheit literarisch.

Foto: APA/dpa/Inga Kjer

Bild nicht mehr verfügbar.

Mankell bei einem Fototermin im Juni 2015 in Stockholm.

Foto: REUTERS/Nora Lorek/TT News Agency

Bild nicht mehr verfügbar.

Im Juni 2009 in Berlin.

Foto: APA/EPA/BRITTA PEDERSEN

Wien – Im Jahr 2003, von den Fällen des Kommissars Kurt Wallander war gerade der neunte erschienen, wurde Henning Mankell die Ehre einer Besprechung durch den slowenischen Allesdeuter Slavoj Zizek zuteil.

Darin ging es um nicht weniger als um "das Schicksal des Kriminalromans im Zeitalter der Globalisierung". Dass das südschwedische Kaff Ystad zu einem Wallfahrtsort für Belesene werden konnte, liegt daran, dass wir umso stärker an besonderen Orten interessiert sind, als die allgemeinen Rahmenbedingungen sich immer stärker vereinheitlichen. Ein besonderer Ort kann gerade dadurch besonders sein, dass er eigentlich ganz und gar gewöhnlich ist. Aber gut, irgendwas ist immer.

Die erste Geschichte, die Henning Mankell sich über Kurt Wallander und Ystad ausdachte, handelte von zwei alten Leuten, die im tiefen Winter auf ihrem Bauernhof umgebracht werden. Der Fall wird heikel, weil es um "Ausländer, Ausländer" geht. "Mörder ohne Gesicht" (1991) heißt das Buch. Wallander erhält darin Gelegenheit, sich zwischen Weltschmerz und Anstand in ein Gleichgewicht zu bringen, zu dem ihn sein gewichtiger Körper nicht ideal disponiert.

Verkörperung skandinavischer Wohlfahrtsgesellschaften

Er wird mit seinen Widersprüchen auch zu einer perfekten Verkörperung der skandinavischen Wohlfahrtsgesellschaften, in denen ein Verbrechen besonders schwer wiegt, weil es im Grunde ein hochintegriertes Modell des Zusammenlebens widerruft. Das wird in der globalisierten Welt, in der alles auf alles abgebildet werden kann, intensiv wahrgenommen, und Henning Mankell wurde zu einem der Aushängeschilder des skandinavischen Crime-Booms ("Nordic Noir"). Seine Respektsbekundungen für große Vorgänger wie das Duo Sjöwall/Wahlöö wurden dabei nicht immer entgolten.

Die mit seinem weltweiten Erfolg einhergehenden Möglichkeiten in der intellektuellen Öffentlichkeit nahm Mankell bereitwillig wahr. Schließlich kamen seine Krimis aus einem Engagement, für das er, nachdem er 1968 in Paris den revolutionären Mai nur knapp wegen Heimreise versäumt hatte, vor allem am Theater eine Wirkungsstätte gefunden hatte. Seine lebensprägende Erfahrung der Begegnung mit dem südostafrikanischen Land Mosambik hatte er da schon gemacht.

Schweden und Mosambik

In den frühen Siebzigerjahren kam er zum ersten Mal nach Afrika. 1985 nahm er die Einladung an, sich am Aufbau des Teatro Avenida zu beteiligen, das bis 1974 der portugiesischen Kolonialelite als Treffpunkt gedient hatte, und das nun von einem afrikanischen Ensemble bespielt werden sollte. Mankell blieb über all die Jahre der Ehrenintendant des Avenida und führte auch gelegentlich Regie. Sein Leben teilte er seither zwischen Schweden und Mosambik auf.

Von seinen insgesamt rund 40 Büchern sind die Wallander-Titel, die in deutscher Sprache beim Wiener Zsolnay-Verlag erscheinen, die bekanntesten. Drum herum entstand auch eine ganze multimediale Industrie. Vier Darsteller, darunter der shakespeareerprobte Kenneth Branagh, konkurrieren um die Ehre, der bessere Wallander-Darsteller zu sein.

Buch über Krankheitserfahrung

Die Zeit seit seiner Krebsdiagnose vor einem Jahr nützte er zu einem Buch über diese Erfahrungen: "Treibsand". Was es heißt, ein Mensch zu sein ist nun sein Vermächtnis, wie auch viele Stellungnahmen über den "Zustand der Welt", wie sie sich eben nur ein Autor erlauben konnte, dessen Blick auf die Provinz wahrlich und aus eigener Anschauung global war. In der Nacht auf Montag ist Henning Mankell seiner Krankheit erlegen. Er wurde 67 Jahre alt. (Bert Rebhandl, 5.10.2015)