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Zunächst feierten die Anhänger der portugiesischen Regierung, später folgte die Ernüchterung: Trotz des klaren Wahlsieges fehlt den Konservativen im neuen Parlament die Mehrheit.

Foto: AP/Steven Governo

Lissabon/Madrid – Bei den Wahlen in Portugal am vergangenen Sonntag hat der konservative Premier Pedro Passos Coelho zwar gewonnen, musste aber dennoch eine schwere Schlappe einstecken. Sein Bündnis "Portugal voran" (PaF) wurde mit 36,8 Prozent stärkste Kraft. Doch mit den 99 Abgeordneten, die das Bündnis aus Passos Coelhos konservativer Sozialdemokratischer Partei (PSD) und der rechten CDS nach vorläufigen Ergebnissen erreicht hat, ist es weit von der absoluten Mehrheit von 116 Sitzen entfernt. 2011, als die Parteien getrennt angetreten waren, erhielten sie zusammen mehr als 50 Prozent der Stimmen.

Nur dank der gemeinsamen Liste konnte Passos Coelho – der für die rigide Sparpolitik der vergangenen Jahre verantwortlich zeichnet – verhindern, auf Platz zwei verdrängt zu werden. Dort liegt die Sozialistische Partei (PS) des Exbürgermeisters von Lissabon, António Costa, mit 32,4 Prozent und einem Plus von rund fünf Prozent.

Eigentlicher Sieger ist der Block der Linken (BE). Die Sammelbewegung konnte mit 10,2 Prozent ihr Ergebnis knapp verdoppeln. Erstmals überholte der BE das Wahlbündnis CDU aus orthodoxen Kommunisten und Grünen, das sich mit 8,2 Prozent und Platz vier zufriedengeben muss. Premier Passos Coelho sieht sich also einem Parlament gegenüber, das mit über 60 Prozent von der bisherigen Opposition bestimmt wird.

Im Wahlkampf hatte er sich ganz als Musterschüler der Troika gegeben. Entweder er regiere weiter, oder Portugal würde im Chaos versinken – das war das Hauptargument seiner Kampagne. Er versuchte seine Sparpolitik, die er als Gegenleistung für ein 78-Milliarden-Euro-Rettungspaket durchführte, als Erfolg zu verkaufen.

Strittige Erfolgsbilanz

Passos Coelho sprach viel von makroökonomischen Erfolgen. So soll die Wirtschaft Portugals, das 2014 den Rettungsschirm verließ, 2015 erstmals seit drei Jahren wieder wachsen. Das Haushaltsdefizit werde – so die Prognosen – auf rund drei Prozent sinken. Und in einer zweiten Legislatur werde er nun endlich auch die Staatsverschuldung von derzeit rund 130 Prozent in den Griff bekommen.

Die Auswirkungen der Austerität sind indes für viele Portugiesinnen und Portugiesen verheerend. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 18 Prozent, knapp 600.000 Menschen verloren ihren Job. Die Löhne sanken um rund 20 Prozent, die Steuern stiegen. Laut Gewerkschaften verdient jeder fünfte Erwerbstätige nur den Mindestlohn von 505 Euro. 27 Prozent leben an oder unter der Armutsgrenze.

Zwar liegt die Arbeitslosigkeit mittlerweile unter 13 Prozent. Doch dies geht nicht zuletzt darauf zurück, dass jährlich ein Prozent der Erwerbstätigen auswandert. Es sind meist junge Menschen. "Portugal verliert eine ganze Generation", beklagten die Oppositionsparteien im Wahlkampf.

Dass die Sozialistische Partei (PS) davon nicht wirklich profitierte, liegt wohl auch an ihrer unentschlossenen Haltung. Spitzenkandidat Costa stellte sich nicht gegen die Auflagen aus Brüssel. Er kündigte lediglich an, sie behutsamer umsetzen. Dies brachte vor allem für den Block der Linken (BE) Stimmen. Es gebe nur die Wahl zwischen "Austerität" und "gemäßigterer Austerität", so einer der Wahlkampfslogans der Partei.

Zudem macht den Sozialisten die Korruption zu schaffen. Der letzte Premier aus der Partei, José Sócrates, soll sich im Amt bereichert haben. Nach langer Untersuchungshaft steht er nun bis zum Prozessbeginn unter Hausarrest.

Unbeantwortet blieb damit vorerst die Frage nach einer stabilen Regierung. Eine Linksregierung der PS mit BE und CDU ist kaum zu erwarten. Zu unterschiedlich sind die Positionen der drei Parteien in puncto Austerität. Und Sieger Passos Coelho braucht zumindest punktuell die Unterstützung der Sozialisten, will er einer Blockade seiner Politik durch das Parlament entgehen. Costa scheint dem nicht völlig abgeneigt. Er werde das Land nicht unregierbar machen, versprach der PS-Chef noch am Wahlabend. (Reiner Wandler, 5.10.2015)