Zwei Arbeitsmigrantinnen, die aus Slowenien nach Ägypten gingen: Man nannte sie "Aleksandrinke" (Alexandrinerinnen).

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Graz/Ljubljana – Sie waren Ende des 19. Jahrhunderts ein Massenphänomen: junge Frauen, Mädchen, manche bereits Mütter oder Witwen, die in ihrer Heimat Europa keine Arbeit fanden. Sie brachen nach Nordafrika auf, um Glück und Wohlstand zu finden.

"Alexandrinerinnen" (auf Slowenisch Aleksandrinke) nannte man jene Sloweninnen unter ihnen, die ab etwa 1870 die Strecke Triest-Alexandria zurücklegten, um die Familien zu Hause, vor allem in der Region Goriska, mit Geld zu unterstützen oder sogar Landgüter zu retten. Im prosperierenden und friedlichen Ägypten wurden sie Dienstbotinnen, Haushälterinnen oder Nannys.

Diese Frauen wurden von der "nationalen Geschichtsschreibung" gerne vergessen, sagt Mirjam Milharčič Hladnik, Herausgeberin des Buches "From Slovenia to Egypt" (V&R-Verlag). Die Soziologin am Institut für Migrationsforschung der slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Ljubljana erzählt dem STANDARD, dass "Migration und die Tatsache, dass wir hier in Europa nicht immer reich waren", an sich schon gerne unter den Teppich der Geschichtsschreibung gekehrt wurden. "Die Geschichte dieser unabhängigen Frauen aber noch mehr", betont die Forscherin.

Tausende machten sich auf den Weg

Tausende von ihnen machten sich auf den Weg, nicht nur nach Ägypten, wo auch viele männliche Migranten durch den Bau des Suezkanals Arbeit gefunden hatten. Auch nach Konstantinopel (Istanbul) und in den Nahen Osten zog es sie. Wirtschaftsflüchtlinge würde man sie heute wohl nennen. Sylvia Hahn, Vizerektorin für Internationale Beziehungen und Kommunikation an der Uni Salzburg, rückt die Geschichte der Sloweninnen, die in die großen ägyptischen Städte zogen, in ihrem Beitrag zum Buch in den größeren europäischen Kontext: Auch aus Italien, Griechenland, Deutschland, Großbritannien und aus der Habsburgermonarchie kamen die Gastarbeiterinnen, die manchmal auch in der neuen Heimat blieben.

Um 1900 waren in Kairo, Alexandria und Port Said mehr Frauen als Männer unter den Arbeitskräften aus Österreich. Fast zwei Drittel der 4505 Menschen aus Österreich in Ägypten waren Frauen. Auch in Tripolis, Damaskus und Beirut arbeiteten mehr Österreicherinnen als Österreicher. In Jerusalem war das Geschlechterverhältnis ausgewogen.

Heimkehr in den 1970ern

Im Buch über die Aleksandrinke geht es aber speziell um die Schicksale der Sloweninnen, die nach Ägypten zogen, ein Trend, der bis in die 1940er anhielt. Die letzten von ihnen kehrten erst in den 1970ern nach Jugoslawien zurück. Das Ausmaß der transmediterranen weiblichen Arbeitsmigration und ihre wirtschaftliche Leistung sind aber in Slowenien auch heute wenigen bekannt. (Colette M. Schmidt, 6.10.2015)