Wien – Die Länder wittern, wieder einmal, einen Angriff auf ihre Existenz. Ein "Diktat" der Bundesregierung sei inakzeptabel, wettert Wolfgang Sobotka, Finanzlandesrat in Niederösterreich – ansonsten drohe "eine Abschaffung des Bundesstaates".

Trojanisches Pferd

Als trojanisches Pferd, in dem der Zentralismus versteckt ist, könnte in den Augen des machtbewussten ÖVP-Politikers ein Projekt dienen, das unter dem sperrigen Titel "Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung" firmiert. Vordergründig wollen dabei alle dasselbe: einheitliche Regeln, nach denen die neun Bundesländer ihre Finanzlage offenlegen müssen – damit Regierung und Rechnungshof vollen Durchblick bekommen, wie sorgsam die regionalen Regierungen mit dem vom Bund überwiesenen Steuergeld umgehen.

Umstritten ist jedoch der Weg zu diesem Ziel. Weil sich die Länder vom Finanzminister nichts einseitig vorschreiben lassen wollen, drängen sie auf eine sogenannte 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. Ein entsprechender Entwurf stieß Anfang September allerdings auf harsche Kritik. Einen "fahrlässigen Ansatz" sah darin Rechnungshofpräsident Josef Moser, zumal die Länder bei jeder kleinen Änderung mitsprechen oder andernfalls den Vertrag hätten kündigen können.

Lob vom Kritiker

Nun nehmen die Akteure einen neuen Anlauf. Das von Hans Jörg Schelling (ÖVP) geführte Finanzministerium hat einen Verordnungsentwurf vorgelegt – und diesmal gibt der Rechnungshof seinen Sanktus, womit der Weg zum Erlass frei ist. Weil die Verordnung nun nicht mehr in eine Bund-Länder-Vereinbarung eingebettet ist, sieht Präsident Moser seine Einwände ausgeräumt. "Einen Riesenerfolg für mehr Transparenz" würdigt der oberste Controller der Republik nun. Der Entwurf beinhalte alle nötigen Elemente, sodass eine Vergleichbarkeit der Länderhaushalte "definitiv gegeben" sei, heißt es auf Nachfrage des STANDARD. Das Einspruchsrecht der Länder hält der Rechnungshof damit für beseitigt.

Deren Vertreter sehen das anders. Die Länder haben in Eigenregie eine 15a-Vereinbarung ausgearbeitet, die am 20. Oktober von den Finanzlandesräten beschlossen werden soll. Schellings Verordnung soll darin wortgleich integriert sein, denn inhaltlich ist man sich ja einig. Entscheidend aber ist laut Interpretation Sobotkas: Wenn alle Regeln parallel zur Verordnung auch noch im Bund-Länder-Pakt fixiert sind, sei die Mitsprache, auch in Zukunft, gesichert.

Spielraum für Spielchen

Ausschließlich in der 15a-Vereinbarung enthalten wäre überdies eine Reihe weiterführender Regeln: die mittelfristige Budgetplanung, die Weiterentwicklung der Haftungsobergrenzen, ein verbindliches Spekulationsverbot oder die Einbeziehung der Gemeindeverbände. Diese Vorhaben sprengen aus verfassungsrechtlichen Gründen den Rahmen einer Verordnung – außer das Parlament erweitert das Finanzverfassungsgesetz entsprechend.

Für diesen Schritt plädieren die Grünen: Dass derart wichtige Vorschriften nur in 15a-Vereinbarungen fixiert werden, hält Budgetsprecher Bruno Rossmann für einen groben Fehler. Die Länder würden dabei riesigen Spielraum zum Tricksen genießen, kritisiert er und zitiert einen Rechnungshofbericht, der die Umsetzung der bisherigen Richtlinien für die Haftungsobergrenzen "in der Luft zerrissen" hat. So hatte unter anderem Kärnten in seiner Aufstellung auf eine Kleinigkeit verzichtet: die Haftungen für die Banken.

Im Gegensatz zu den Ländervertretern plädiert auch SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer für eine Verfassungsänderung, ihm liegt in erster Linie die Einbeziehung der Gemeindeverbände in die Transparenzregeln am Herzen.

Im Büro von Minister Schelling glaubt man hingegen an die Wirksamkeit der Bund-Länder-Agreements. Optimistischer Ausblick: "Entscheidend ist, dass sich alle daran halten." (Gerald John, 6.10.2015)