Als schreckliches Pärchen in guter Form: Tatiana Serjan (als Lady Macbeth) und George Petean (als Macbeth).

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien – Der Job des Staatsoperndirektors hat etwas von einer Sisyphusarbeit. Sobald eine neue Produktion gestemmt ist, droht es schon wieder anderswo zu bröckeln. So ist das im Repertoiresystem, wo dutzende Opern auf dem Spielplan stehen – darunter Jahrzehnte abgehangene Ausstattungsschinken ebenso wie innovativere, doch deshalb nicht unbedingt beliebtere Regieansätze.

Dominique Meyer hat beim laufenden Programm viel Energie investiert und das Niveau hier deutlich gehoben – mit dem Nebeneffekt, dass sich die Distanz zur Qualität von Premieren deutlich verringert hat. Auch die Eröffnungspremiere der neuen Saison riecht bereits nach Routine und Repertoire. Hatte Meyers Vorgänger hier gelegentlich noch Mut zum Risiko an den Tag gelegt und nach szenischen Innovationen gesucht, so wirken nun die Neuinszenierungen berechenbar, mitunter berechnet.

Im Gegensatz zur letzten Fassung von Giuseppe Verdis Macbeth von 2009, in der Vera Nemirova ein dichtes Psychogramm mit grellen Ideen verband und damit eine breite Front der Ablehnung erfuhr, bietet die neue Regiearbeit von Christian Räth gediegenes Handwerk in praktikablem Rahmen. Für die Freunde moderner Bilder spielt sich die Szenerie zwischen Betonwandelementen ab, zwischen denen mit Licht und Schatten (Mark McCollough) gespielt wird.

Farbenfrohe Roben

Die Kostümierung vermittelt dezent zwischen zeitloser Mystik und einem Herrschaftsbereich im Dunstkreis einer Militärdiktatur, in dem auch farbenfrohe Damenroben ihren Platz finden (Ausstattung: Gary MacCann). Einige Akzente setzt Räth doch, indem er die Geschichte als Wiederkehr des Gleichen interpretiert: Die blutigen Hände Macbeths nach seinem Mord an König Duncan kehren etwa am Ende vervielfacht wieder, als er getötet wurde und der gesamte Chor befleckt erscheint.

Doch die Personenführung besteht im Wesentlichen darin, die Sänger zu akustisch günstigen Punkten zu führen und sie dann dort ein Weilchen stehen zu lassen. Musikalisch ist die Bilanz des Abends – mit einigen Gewichtungen – durchwegs positiv, und dies nicht nur wegen der tiefen Harmonie und Klangschönheit, die aus dem Orchestergraben drang. Dirigent Alain Altinoglu ließ nämlich nicht nur wunderbar zarte philharmonische Melodiebögen aufleben, sondern die Rauheiten und Brüche der Partitur zu ihrem Recht kommen. Brachiale und martialische Ausbrüche inklusive fand er eine ausgewogene Mischung zwischen Straffheit und Flexibilität sowie zu einem homogenen Fließen, sodass er die Sänger wie auf Händen trug.

Somit konnte sich George Petean in der Titelpartie mitunter schonen und nach verhaltenem, ja zögerlichen Beginn mehr und mehr an Strahlkraft ausspielen, während auch seine Charakterdarstellung mit der vokalen Präsenz wuchs. Als umjubelte Lady Macbeth und Hausdebütantin spielte Tatiana Serjan virtuos auf der Gefühlsklaviatur, war schmeichelnde Gattin, böse Intrigantin, zuletzt irrlichternde Verrückte von durchgehender Präsenz, wobei freilich ein gestaltender Umgang mit fahlen Stimmfarben und unfreiwilliges Flackern sich nicht immer unterscheiden ließen.

Stabile Kernigkeit

Ansonsten herrschte im Ensemble die Verlässlichkeit vor, etwa beim Macduff von Jorge de León mit schönen lyrischen und dann energievoll kämpferischen Passagen, als er den Titelhelden erdolchte. Einer aber, der seinerseits erstochene Banquo, stach nicht nur durch seine Bühnenerscheinung hervor: Ferruccio Furlanetto vermag auch noch im Pensionsalter und nach über 30 Jahren auf der Bühne Maßstäbe zu setzen, was Phrasierungskunst, stimmliche Stabilität und Kernigkeit betrifft.

Währenddessen wird die Inszenierung kaum in die Geschichte eingehen, aber immerhin ins Repertoire und dort funktionsfähig bleiben. Probleme bereiten dürfte sie dem Staatsoperndirektor kaum. (Daniel Ender, 5.10.2015)