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Die Zeiten, in denen handgeschriebene Liebesbriefe verschickt wurden, sind lange vorbei. Aber auch online gerät die schriftliche Kommunikation ins Wanken.

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Die Suche nach Liebe und Geborgenheit wird dem Menschen bereits in die Wiege gelegt. Doch nicht jedem ist es beschert, das Liebesglück im Alltag zu finden. Seit Jahren boomt der Markt der Suchenden, damit einhergehend steigt die Akzeptanz der Beziehung per Mausklick. "Die Grundhaltung, mit der man in eine Beziehung geht, hat sich verändert: Es muss schnell und effizient gehen, denn der Frustrationsgrad ist sehr schnell erreicht – schneller als früher", sagt Medienwissenschafterin Caja Thimm.

Angebote gibt es reichlich. Alleinstehende können im deutschsprachigen Raum aus einem Potpourri von rund 1.500 Partnersuchbörsen im Internet wählen. Relativ neu auf dem Markt, neben bekannten Angeboten wie Parship, Elite-Partner und E-Darling, sind Datings-Apps wie Tinder. Neu daran: Statt auf Persönlichkeitstests setzt die App auf die Magie des "ersten Blicks" – kommuniziert wird anfangs gar nicht.

Wortlose Auslese

Die Schauspielerin Nina Hartmann war vom Phänomen Tinder derart fasziniert, dass sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Oliver Lendl ein Kabarett über die Dating-App geschrieben hat, das derzeit im Wiener Metropoldi zu sehen ist. In "Match me if you can" behandelt die 33-Jährige ihre Erfahrungen mit der Plattform: "Wie sich manche präsentieren, ist wirklich herrlich. Teilweise gibt es Profilfotos wie: Matteo, 30, oben ohne auf einem weißen Einhorn sitzend."

Online-Dating-Portale treffen den Nerv der Zeit. Bereits jeder dritte heimische Single nutzt laut Parship das Internet für die Partnersuche. Laut eigenen Angaben hat Tinder im Juli 26 Millionen Matches pro Tag verzeichnet. Ein Match kommt zustande, wenn beide User das Foto des jeweils anderen in den Einkaufskorb gewischt haben – erst dann öffnet sich ein Chatfenster, die Möglichkeit zur Kommunikation und zum Kennenlernen entsteht. "Die Sprache auf Tinder ist sehr reduziert. Ich war wirklich baff, wie wenig sich die meisten bemühen. Einer hat mir mitten in der Nacht 'Bunga, Bunga' geschrieben. Da habe ich mir gedacht, das ist also Tinder," sagt Hartmann. Universitätsprofessorin Thimm bestätigt eine Verkürzung auf der linguistischen Ebene. Dieses Phänomen gebe es aber schon seit dreißig Jahren mit dem Aufkommen der E-Mails: "Natürlich gibt es einen Sprachwandel und Sprachwandel heißt auch Kommunikationswandel. Die Kommunikation wird direkter. Oft braucht es überhaupt keinen Text mehr, ein Smiley sagt mehr als tausend Worte."

Match fürs Leben

Einer Umfrage zufolge findet jeder Fünfte seinen Partner oder seine Partnerin bereits im Internet. Besonders onlineaffin sind Suchende aus Wien und Salzburg, dort ist es jeder Vierte. Obwohl Tinder den Ruf hat, vorwiegend Bettgeschichten zu vermitteln, gibt es sie, die Tinder-Pärchen. Der 26-jährige Jusstudent Markus und die gleichaltrige Sonja aus Graz, die in einem Consultingunternehmen arbeitet, ist eines davon. Die wenigsten in ihrem Freundeskreis wissen, dass sie sich über die Dating-App kennengelernt haben. "Wenn uns jemand fragt, sagen wir immer, dass wir uns auf einer Party getroffen haben", sagt Markus. Es sei schließlich unromantisch, via Tinder den Menschen fürs Leben gefunden zu haben.

Selektion

"Für mich war es schwer, anhand eines Fotos zu entscheiden. Man wird auf Tinder schnell oberflächlich und tendiert zu Typen, die gut gebaut sind und gut aussehen, die ich im echten Leben wahrscheinlich nie auswählen würde", sagt Hartmann, die auch als Model arbeitet. "Tinder zeigt, dass soziale Beziehungen inzwischen als planbar gelten und einen stark kommerzialisierten Aspekt bekommen", analysiert Thimm.

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Wisch und weg. Dating-Apps wie Tinder führen zu einer schnellen Vermarktung der Liebe.
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Die Unternehmerin Eva Kinauer-Bechter hat einen gänzlich anderen Zugang bei der Partnervermittlung. Vor 15 Jahren hat sie sich darauf spezialisiert, wie sie sagt, "die Reichen und Schönen" zu vermitteln. Sie will auf Qualität statt auf Quantität setzen. Deshalb spielt sie selbst Amor und wählt für ihre Klienten den ihrer Meinung nach idealen Partner aus, dem jeweiligen Anforderungsprofil entsprechend. Wenn beide Kunden einverstanden sind, kommt es zum ersten Kennenlernen, das Kinauer-Bechter immer moderiert. Ein Problem für unfreiwillige Singles sieht sie in einem verzerrten Selbstbild. "Auf Online-Plattformen matcht der Computer die Daten, die eingegeben wurden, aber eingegeben werden kann ja alles. Männer geben im Durchschnitt mehr Gehalt an, Frauen machen sich um ein paar Jahre jünger und verwenden alte Fotos."

Oftmals gebe es Klienten mit utopischen Vorstellungen, erzählt Kinauer-Bechter: "Wenn jemand zu mir kommt und sagt: Ich will einen Brad Pitt, dann muss sie auch eine Angelina Jolie sein, anders funktioniert das nicht." Doch Kinauer-Bechter nimmt sich nicht jedes Singles an. In einem kostenlosen Erstgespräch wird entschieden, ob es zu einer Zusammenarbeit kommt: "Bei diesem ersten Treffen scheiden rund 70 Prozent meiner potenziellen Klienten aus. Also, wenn ich merke, dass eine Zusammenarbeit nicht möglich ist – die Singles nicht den Anforderungen meiner Partnervermittlung entsprechen." Die Jahresbetreuung von Kinauer-Bechter kostet ab 12.000 Euro. Erfolgsgarantie gibt es keine.

Netzromantik

Für die Medienwissenschafterin Caja Thimm muss eine Online-Beziehungen nicht automatisch unromantisch sein. Als Beispiel führt sie einen Studenten an, der sich auf der Foto-App Instagram auf die Suche nach einer Partnerin begab. Da die App eigentlich nicht auf Partnervermittlung abzielt, suchte er sich selbst ein Filterverfahren: die dokumentierten Essgewohnheiten der Nutzerinnen. Er wurde tatsächlich fündig. "Er fand die Art und Weise, wie sie ihr Essen zubereitet hat, sehr ansprechend. Dass sie Vegetarierin ist und warum, das alles war ohne ein Wort auf Instagram ersichtlich."

Obwohl im Netz nicht im herkömmlichen Sinn geflirtet werden kann, muss das nicht von Nachteil für die Partnersuche sein. Eine Studie aus den USA kam zu dem Schluss, dass Partnerschaften, die auf Dating-Plattformen begonnen haben, sogar glücklicher sind als herkömmliche. Wenn Romantik im Internet zu finden ist, schlussfolgert Thimm, "dann über Instagram – sprachlos eben". (Sophie-Kristin Hausberger, 6.10.2015)