Fein essen wie einst in den 1960er-Jahren: Fleischlaberl à la Metternich (Bild unten) im neuen Grand Ferdinand.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Mehr als nur amüsant gerät das Kalbfleischlaberl "à la Metternich", mit auf den Punkt pochiertem Ei und Sauce tyrolienne.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Als Wiener ist man leidgeprüft, was die Restaurants der Ringstraßen- und anderen neuen Luxushotels betrifft – spätestens nach der vierten gesichtslosen Protzperformance in aseptisch teurem Rahmen kippt die Erwartungshaltung unweigerlich ins mild Misanthropische. Jetzt also das Grand Ferdinand des Hoteliers Florian Weitzer, der in Wien mit dem Daniel beim Belvedere gezeigt hat, dass er eine recht individuelle Idee von zeitgemäßer Beherbergung verfolgt.

Dem bleibt er auch mit dem Schritt in die Luxushotellerie treu. Statt austauschbarer, vom Aufsichtsrat abgesegneter Fertigteileleganz auf dem Teller, wie man sie sonst von unseren Nobelhütten kennt, öffnet sich das Restaurant hier eindeutig zur Stadt und ihren Bewohnern. Es nimmt den reduziert bourgeoisen Stil des Baus aus den 1950ern dankbar auf, mit großen Fenstern zum Ring, mit weiß gefliesten Säulen, roten Lederbänken, Thonetsesseln und einer Schank aus Holz und Marmor.

Kalbseinmachsuppe & Hirn mit Ei

Die Speisekarte besingt den Mythos vom Wiener Speisehaus: Von Kalbseinmachsuppe mit Zunge und Bries über Ochsenmark mit gebähtem Schwarzbrot bis zu Hirn mit Ei und Rindsrouladen sind da lauter Klassiker versammelt, deren man fast nur noch in historischen Kochbüchern ansichtig wird. Hier werden sie in großbürgerlichem Rahmen aufgetragen, auf Goldrandtellern unter Kristalllustern, mit schwerem (Hotel-) Silberbesteck und einer Batterie an geschliffenen Gläsern, bei der die automatisch mit aufgedeckten Champagnerschalen in lupenreinem Sixties-Stil besonders hübsch herausragen. Da kann man schon darüber hinwegsehen, dass die Wände noch ein bissl kahl wirken (Holztäfelung soll bis Weihnachten nachgeliefert werden) und der sympathische, explizit multinationale Service zwar ungemein engagiert, aber phasenweise etwas unbeholfen agiert.

Die Kalbseinmachsuppe ist nur ganz leicht gebunden und großzügig mit Zunge und Bries aufgehusst, sie überzeugt mit sanfter Säure, die die Reichhaltigkeit gut abfedert. Hirn mit Ei wird routiniert, saftig, mollig geröstet – die samt ihrem Fett geröstete Kalbsniere aber sticht es mühelos aus: So fein, so frisch, so entschlossen und doch auf den Punkt gebraten. Auch Kalbsbries wird exakt und zart gebraten, so ganz ohne Saftl (oder zumindest ein bissl brauner Butter und Kapern?) wird die eh nicht große Portion aber schnell langweilig. Ganz anders die geröstete Rindsleber, wunderbar zart, sanft, in leichtem Majoransaftl, nahe an der Perfektion. Dem Küchenchef macht sichtbar Spaß, dass er sich der innerösterreichischen Tradition so nachhaltig widmen darf.

Faschierter Metternich

Mehr als nur amüsant gerät auch das – um 24 Euro schamlos gepreiste – Kalbfleischlaberl "à la Metternich", mit auf den Punkt pochiertem Ei und Sauce tyrolienne: Ein gut zweifingerdickes Laberl aus kernig faschiertem Kalb, das wunderbar mollig und reichhaltig von versunkenen Zeiten erzählt. Gesottenes Rindfleisch gibt es auch, ganz wichtig wird es im Fleischwagen zu Tisch gebracht und vor dem Gast tranchiert – in den ersten Tagen trat just da die fehlende Routine zutage: Deutlich zerkocht, mit versalzenem Kochsalat und einer Schnittlauchsauce serviert, die in ihrer süßen Klebrigkeit unwürdige Erinnerungen an Miracle Whip heraufbeschwört.

Gefüllter Paprika, saftig, fein, ist da die deutlich bessere und ungleich günstigere Wahl. Wenn die Performance der ersten Tage noch ein bissl an Schliff und Charakter gewinnt, dann dürfte hier nach langem wieder ein zeitgemäß altmodisches Hotelrestaurant entstanden sein, in dem es sich auch die Wiener gutgehen lassen wollen. (Severin Corti, RONDO, 9.10.2015)