Bild nicht mehr verfügbar.

Sieht so das Smartphone der Zukunft aus? Eher nein, es soll ja auch Zahlungsströme statt Phaserstrahlen auslösen – und nebstbei eine Revolution des Geld- und Finanzwesens.

Foto: picturedesk

STANDARD: Haben Sie noch Bargeld in Ihrer Brieftasche?

Skinner: Ja, selbstverständlich.

STANDARD: Aber sehen Sie nicht Bargeld als Auslaufmodell an?

Skinner: Bargeld ist teuer und eignet sich gut für illegale Aktivitäten. Außerdem ist es schmutzig, viele Banknoten sind mit Drogenrückständen verunreinigt. Gut geeignet ist Bargeld nur für kleine Zahlungen. Aber eigentlich benötigt man es nicht mehr, in Island oder Skandinavien kann man schon ohne Bargeld überleben.

STANDARD: Gibt es den oft erwähnten Krieg gegen das Bargeld Ihrer Meinung nach tatsächlich?

Skinner: Ja, den gibt es. Viele Notenbanken und Regierungen wollen Bargeld durch zunehmende Digitalisierung loswerden. Hauptsächlich wegen der hohen Kosten und Risiken.

STANDARD: Die USA bringen bald einen neuen Zehn-Dollar-Schein heraus. Ist das noch sinnvoll?

Skinner: Ja, weil es noch ein sehr langer Weg zu einer bargeldlosen Welt ist. Zunächst wird es eine Welt mit deutlich weniger Bargeld geben. Die meisten Länder, die Geld durch zunehmende Digitalisierung verdrängen wollen, planen, das Volumen an Bargeldtransaktionen auf 30 Prozent zu drücken. Viel weniger geht derzeit noch nicht, weil Bargeld noch stark in der Psyche und der Gesellschaft verankert ist. Bis das überwunden ist, wird es zumindest noch zwanzig Jahre dauern.

STANDARD: Was kommt dann? Nur noch elektronische Transaktionen?

Skinner: Man wird ein mobiles, drahtloses Zahlungssystem verwenden. Dorthin wird es sich bewegen, aber es dauert noch. Derzeit starten sogenannte Fintechs, also Unternehmen, die Finanzdienstleistungen anbieten und dafür etwa mobiles Internet oder andere Technologien benutzen. Diese Fintechs haben zwei Schwerpunkte: Einer ist Bezahlen, der andere das Kreditwesen.

STANDARD: Wie wird das Bezahlen künftig laufen?

Skinner: Langfristig bewegen wir uns in Richtung einer Welt, in der man über physisches Geld nicht nachdenken muss, weil alles digital läuft. Oder haben Sie in Raumschiff Enterprise Captain Kirk je mit Bargeld gesehen? Es wird eine virtuelle Geldbörse geben mit virtuellen Transaktionen.

STANDARD: Und das Kreditwesen?

Skinner: In Europa werden schon soziale Kreditnetzwerke angeboten. Wenn man Geld anlegen will, suchen sie jemanden, der sich welches ausleihen will. Der Unterschied zwischen den Zinssätzen, die der Gläubiger erhält und die der Schuldner zu bezahlen hat, beträgt nur ein Prozent. Man bekommt also beispielsweise vier Prozent für die Ausleihung und bezahlt fünf für einen Kredit. Bei einer Bank bekommt man aber viel weniger für Einlagen, weil die Bank Gewinne machen will und hohe Kosten etwa für das Personal zu zahlen hat. In Großbritannien sind diese Peer-to-peer-Ausleihungen bereits reguliert. Somit wurde das von der Regierung als positive Entwicklung gebilligt.

STANDARD: Dringen Fintechs auch in andere Bereiche ein?

Skinner: Ja, etwa in der Vermögensverwaltung oder im Wertpapierhandel – in all diesen Bereichen gibt es Fintech-Start-ups, die effizienter als traditionelle Banken anbieten wollen.

STANDARD: Sind sich die Banker dessen bewusst, dass sie in all diesen Bereichen angegriffen werden?

Skinner: Manche. Ich denke, nur rund ein Drittel kennt die neuen Fintechs wirklich und weiß auch genau, was die machen.

STANDARD: Das überrascht mich.

Skinner: Mich überrascht es auch, weil diese Banken schnell aus dem Spiel sein werden, wenn sie nicht merken, was los ist. Es sind nicht die Stärksten, die überleben, sondern jene, die sich am besten an Veränderungen anpassen.

STANDARD: Wird es auch in Zukunft noch traditionelle Banken geben?

Skinner: Ja, Banken haben Millionen Kunden und tausende Mitarbeiter. Sie sind seit Jahrzehnten aktiv und genießen großes Vertrauen in ihre Marken und wurden vom Staat lizenziert. Außerdem gibt es eine Einlagensicherung, die garantiert, dass Kunden ihr Geld nicht verlieren. Die neuen Start-ups haben zunächst weder Kunden, Mitarbeiter oder eine Lizenz. Wie baut man ein vertrauenswürdiges Geschäft von null aus auf? Es dauert mehrere Jahre, bis einem die Kunden vertrauen.

STANDARD: Welche Rolle spielen Apple, Facebook oder Google bei dieser Entwicklung?

Skinner: Die Banken haben sich vor diesen Unternehmen gefürchtet, aber Google, Apple, Facebook und Amazon haben gesagt, dass sie Partner der Banken sein wollen. Das muss natürlich nicht für immer so bleiben. Aber es gab schon vor vielen Jahren Gerüchte und Schlagzeilen, dass Microsoft eine Bank eröffnen will. Das ist bis heute nicht passiert, weil viele Banken Kunden von Microsoft sind. Man beißt nicht in die Hand, die einen füttert.

STANDARD: Wohin geht die Reise auf lange Sicht? Wird es eine Welt von Banken und vielen Fintechs ohne dominanten Player geben?

Skinner: Heute gibt es schon tausende Fintechs, vor ein paar Jahren waren es nur ganz wenige. Daraus werden sich ein paar dominante Player herauskristallisieren. Irgendwann werden diese verbunden und integriert in das traditionelle Finanzsystem.

STANDARD: Wird das mittels Übernahmen durch die Banken oder doch über Partnerschaften passieren?

Skinner: Das wird von Fall zu Fall verschieden sein, meistens wird es zu Partnerschaften kommen.

STANDARD: Würden Sie als Privatperson eher in Banken oder Fintechs investieren?

Skinner: In Fintechs. Da bekomme ich eine höhere Verzinsung des investierten Kapitals. Das ist so, als hätte ich in Google oder Facebook investiert, bevor sie große, dominante Player geworden sind. Aber es besteht immer ein Risiko, weil man aufs richtige Pferd setzen muss. (Alexander Hahn, 8.10.2015)