Irmgard Griss, ehemalige OGH-Präsidentin, Chefermittlerin der Hypo-Kommission und Senatsvorsitzende des Presserats gratuliert diesem zum fünften Wiederauferstehungstag.

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Wien – Von "Hoffnungen und Zweifel" sei die Neugründung des Presserats 2010 begleitet worden, sagt Irmgard Griss. Die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Chefermittlerin der Hypo-Kommission sitzt dem heuer gegründeten dritten Senat des Selbstkontrollorgans der österreichischen Presse vor. Mittlerweile habe er seine Existenzberichtigung bewiesen, so Griss bei der Feier des fünfjährigen Jubiläums am Mittwochabend im Wiener Palais Epstein.

Zwei Mängel ortet die Senatsvorsitzende allerdings. Erstens: Mit der "Kronen Zeitung", "Österreich" und "Heute" sind drei besonders große – und besonders rügeintensive – Medien nach wie vor nicht Mitglied im Presserat. Das sei aus zwei Gründen "sehr zu bedauern". Einerseits verliere der Presserat dadurch an Gewicht; andererseits erreichen die Boulevardblätter so nicht, dass ihre Berichte nicht vom Presserat beanstandet würden. Sie ließen sich einzig die Chance entgehen, ihren Standpunkt im Verfahren darzulegen.

Klagsverzicht international unüblich

Zweiter Kritikpunkt: Wer sich als Betroffener an den Presserat wendet, kann nicht auch zu Gericht gehen. Hintergrund ist die Schiedsvereinbarung, die Betroffene für die Einleitung eines Verfahrens unterschreiben müssen. Darin verpflichten sie sich, das betroffene Medium in derselben Angelegenheit nicht gerichtlich zu klagen. Griss: "Das ist unbefriedigend."

Die Abschaffung dieser Regelung sei "immer wieder im Gespräch", sagt Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek zum STANDARD. Eine solche Schiedsvereinbarung sei auch international nicht üblich. Widerstand gegen eine Reform ortet Warzilek bei den Verlegerverbänden, die im Trägerverein des Presserats über eine Sperrminorität verfügen.

VÖZ hält an Regelung fest

Und dieses Veto würden die Verleger wohl nützen. Die Schiedsvereinbarung sei "das Wesen eines Schiedsgerichts", sagt Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ). In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass parallel geführte Verfahren zu einer Vermischung der Inhalte geführt hätten.

Dass andere Presseräte ihren Beschwerdeführern keinen Klagsverzicht abringen, ist für den Verlegervertreter kein Argument: Man müsse den anderen ja nicht immer alles nachmachen, das österreichische Modell sei durchaus nachahmungswürdig. Und wie die Fallstatistik des Presserats zeigt, stellt der Klagsverzicht für viele kein Hindernis dar, argumentiert Grünberger – bei "dramatischen Fällen" würden die Betroffenen ohnehin gleich zu Gericht gehen. (sefe, 8.10.2015)