Wolfgang Hetzer: ""Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigung?", Oktober 2015, Westend Verlag, 18,50 Euro.

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STANDARD: Der Titel Ihres Buches ist provokant. "Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigung?"

Hetzer: Die Deutsche Bank hat mit ihrem Verhalten, vielfach Anlässe gegeben, diese Frage überhaupt zu stellen. Das ist das Beunruhigende. Was die Bank an Unrecht getan hat, wurde mit bislang zehn Milliarden Euro sanktioniert. Die Rückstellungen liegen bei etwa fünf Milliarden. Immer noch nicht ausreichend, denn sie ist in 6000 bis 7000 Rechtsstreitigkeiten verwickelt.

STANDARD: Rütteln die Machenschaften der Bank nicht am Image Deutschlands, wie das derzeit in der VW-Affäre herbeigeredet wird?

Hetzer: Die Reputation der Deutschen Bank ist in der gesamten Finanzbranche wie auch bei den Kunden stark angepatzt. Da gibt es fragwürdige Aktivitäten, mehrfachen Rechtsbruch und Geschäftsmodelle wie etwa im Hypothekenbereich, die gewaltige Verluste verursacht haben. Die Bank hat den Liborzinssatz manipuliert, was in meinen Augen eine Todsünde ist. Was der Liborzinssatz für die Finanzbranche ist, sind die Abgaswerte in der Automobilindustrie. Es ist absurd, dass gerade die Deutsche Bank dieser Tage VW eine merkwürdige Unternehmenskultur vorhält, Recht zu missachten und systematisch gelogen und betrogen zu haben. Ausgerechnet die Deutsche Bank sagt so etwas, die Bank die selbst betrügerisch und kriminell agiert.

STANDARD: Bei Ihrer Definition von organisierter Kriminalität nennen Sie als eines der Kriterien für den Sachverhalt die "Verwertung der Beute".

Hetzer: Es ist rechtmäßig natürlich für einen Autor nicht zulässig, zu sagen, die Deutsche Bank sei eine Mafiavereinigung. Genauso wenig ist es zulässig, zu sagen, die Deutsche Bank sei das Zentrum organisierter Kriminalität. Das birgt Risiken. Die Deutsche Bank würde sich mit allen Mitteln – und die sind alles andere als gering – wehren. Wenn man sich aber ansieht, was laut deutschem Strafgesetzbuch eine kriminelle Vereinigung ist, stellt sich natürlich die Frage, ob und wie weit sich die Deutsche Bank davon unterscheidet. Hier wurden über Jahre hinweg Geschäftsmodelle mittels qualifizierter Techniken aufgesetzt, wohl wissend, dass die Kunden daran Schaden nehmen. Also wenn die Deutsche Bank schon keine organisierte Kriminalität repräsentiert, was repräsentiert sie dann? Wenn die Deutsche Bank nicht von gemeingefährlichen Gewohnheitsverbrechern und Versagern geführt worden sein sollte, wer hat sie dann geleitet, dass sie in diese Situation gekommen ist? Diese Debatte muss geführt werden.

STANDARD: Sie sprechen im Buch von "Subkulturen, deren kriminelle Energie und Schadensträchtigkeit das Leistungsspektrum jedweder Mafiaorganisation bei Weitem übertreffen".

Hetzer: Vom konventionellen Bild der Mafia haben wir doch ein recht naives Verständnis: Da werden Dinge wie Rauschgift assoziiert, Rocker oder Rotlicht. Das sind von den planerischen Voraussetzungen her die primitiven Formen der Kriminalität. Komplexer ist es, mit höchsten Kreisen zusammenzuarbeiten, wenn große Summen Geld und Korruption ins Spiel kommen. Eine besondere Art der Erpressung ist, so wichtig und erfolgreich zu werden, dass es unvorstellbar ist, melodramatisch gesagt, ein Todesurteil über die Deutsche Bank zu verhängen. Too big to fail, wie es so schön heißt. Geldwäsche ist das Herzstück der organisierten Kriminalität. Die jüngsten Vorwürfe betreffen ein Volumen von sechs Milliarden Dollar – und das ist nicht das letzte Wort. Dazu kommen möglicherweise noch Sanktionen, eine Größenordnung, die weit über das klassische Hehlergeschäft oder die Verwertung von Beute hinausgeht.

STANDARD: Was fordern Sie in diesem Zusammenhang?

Hetzer: Ein entsprechendes Unternehmensstrafrecht, das es derzeit in dieser Form in Deutschland nicht gibt, das beispielsweise die Einstellung des Geschäftsbetriebes verfügt. Ist es denn überhaupt noch erkennbar, ob sich die Managerinnen und Manager der Deutschen Bank noch am legalen Wirtschaftsbetrieb beteiligen?

STANDARD: Weitere Sanktionsmöglichkeiten?

Hetzer: Man könnte über Aufsichtsstrukturen nachdenken, bis hin zur Verstaatlichung, Untersagung der Ausübung des Gewerbebetriebs. Man kann vor allem bei der Gewinnabschöpfung, bei der vieles im Argen liegt, etwas verbessern. Verbrechen dürfen sich nicht lohnen.

STANDARD: Für das abgelaufene Quartal hat die Deutsche Bank einen Rekordverlust von über sechs Milliarden Euro eingefahren.

Hetzer: Diese Größenordnung ist einmalig. Das ist schon eine Leistung, die Leiden schafft und wird so schnell nicht auszubügeln sein. (Sigrid Schamall, 9.10.2015)