Wien – Im Abgasskandal bei Volkswagen haben zwei grüne Abgeordnete aus Österreich Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Salzburg eingebracht. Dort befindet sich der Sitz der Porsche-Holding. Die Vorwürfe der Abgeordneten: vorsätzliche Gemeingefährdung und vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt.

Die der APA vorliegende Sachverhaltsdarstellung richtet sich gegen unbekannt. Die Anzeigensteller, Matthias Köchl und einer seiner Parlamentskollegen, verlangen unter anderem die Einvernahme des Chefs der Porsche-Holding, die zum VW-Konzern gehört.

Befürchtete Organschäden

Von der Affäre um manipulierte Abgaswerte bei VW-Dieselautos seien in Österreich "vorsichtig geschätzt" 363.000 Fahrzeuge betroffen. "Es ist daher davon auszugehen, dass es zu einer vielfachen Überschreitung der Stickoxidgrenzwerte kommt und eine Gefährdung der Gesundheit und körperlichen Sicherheit für eine größere Zahl von Menschen und der Umwelt vorliegt", argumentiert der Anwalt der Grünen-Politiker, Michael Poduschka, in der Sachverhaltsdarstellung.

Stickstoffoxide führten über die Bildung von Salpetersäure zu saurem Regen. Außerdem könnten die säurebildenden Eigenschaften der Stickstoffoxide die Schleimhäute reizen und "irreversibel die Lungenfunktion beeinträchtigen und Atembeschwerden bei Asthmatikern auslösen. Bei lang andauernder erhöhter Belastung werden Lunge, Milz, Leber und Blut beeinträchtigt." Die Anzeiger sehen daher "sämtliche in Österreich aufhältigen Personen sowie die Umwelt" gefährdet.

Drängen auf schnelle Nachrüstung

Volkswagen hatte diese Woche erklärt, ab Beginn des kommenden Jahres mit dem Rückruf der betroffenen Fahrzeuge – weltweit bis zu elf Millionen – in die Werkstätten zu beginnen. Der Rückruf könnte sich bis Ende 2016 ziehen. Laut Volkswagen sind in Europa insgesamt acht Millionen, in den USA rund 430.000 Fahrzeuge betroffen.

Für Rechtsvertreter Poduschka ist es "unverständlich, dass es, wenn die Gesetze hinsichtlich der Abgaswerte nicht eingehalten werden, über ein Jahr braucht, um den gesetzlichen Zustand wiederherzustellen und das keinerlei Konsequenzen haben soll", wie er der APA sagte.

VCÖ-Kritik an Zeitplan

Auch dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) dauert der Zeitplan für die Pkw-Nachrüstungen, die der Volkswagen-Konzern angekündigt hat, viel zu lange. Für die USA hatte der dortige VW-Chef Michael Horn von zwei Jahren gesprochen. "Dieses Schneckentempo ist eine Verhöhnung aller Betroffenen und geht auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung", kritisierte der VCÖ am Freitag.

Österreich sei vom VW-Dieselskandal besonders betroffen, weil einerseits die Diesel-Pkw-Rate mit rund 57 Prozent eine der höchsten in Europa sei und außerdem Millionen Diesel-Pkw aus anderen Staaten im Transit- und Tourismusland Österreich unterwegs seien, so der VCÖ in einer Aussendung.

In Österreich sei im ersten Halbjahr die Stickoxid-Belastung vielerorts deutlich über dem Jahresgrenzwert gelegen – und Messungen des Forschungsinstituts ICCT hätten gezeigt, dass getestete neue Dieselautos (Abgasklasse EURO 6) im Schnitt sieben Mal so viel NOx ausstoßen würden wie der Grenzwert vorschreibe.

Ökonom: Steuerzahler tragen Kosten mit

Ein Teil der erwarteten milliardenschweren Kosten des VW-Abgasskandals werden nach den Worten des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, beim Steuerzahler hängen bleiben. "Der deutsche Staat, und damit der Steuerzahler, haben bereits finanzielle Verluste erlitten und werden sich an den Kosten beteiligen müssen", sagte der am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. "Denn dem deutschen Staat gehören 20 Prozent des Volkswagen-Konzerns. Damit ist der Staat verpflichtet, finanzielle Leistungen zu erbringen."Durch die Umrüstung und mögliche Strafen drohen Europas größtem Autobauer Kosten in Milliardenhöhe.

"Der Schaden durch den Skandal bei Volkswagen könnte gesamtwirtschaftliche Kosten für Deutschland haben", sagte Fratzscher. "Die Kosten alleine für Volkswagen könnten bis zu 100 Mrd. Euro betragen – dies sind mehr als drei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung", sagte der Berliner Ökonom. "Auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer solchen Schadensgröße begrenzt ist, so stellt dies ein gesamtwirtschaftliches Risiko für Deutschland da."

Kurssprung bei Stammaktien

Für Aufsehen sorgte am Freitag ein 15-prozentiger Kurssprung der Stammaktien von VW. Dabei wechselten am Vormittag bereits mehr als drei Mal so viele Papiere den Besitzer wie an einem gesamten Durchschnittstag. Sie kosteten zeitweise 133,75 Euro.

Offenbar deckten sich einige Anleger, die auf weitere Kursverluste wegen der Abgasaffäre gesetzt hatten, wieder mit VW-Titeln ein, um ihre Verluste zu begrenzen, sagte ein Börsianer. Ein anderer verwies auf ein Gerücht, dem zufolge Großaktionär Porsche Holding seine Beteiligung aufstockt. Bei der Porsche Holding war dazu am Freitag kein Kommentar zu erhalten. Porsche hält nach Reuters-Daten bisher 50,7 Prozent der VW-Stämme. (APA, Reuters, 9.10.2015)