Digital Natives erlernen ihre IT-Skills im Alltagsgebrauch – in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt wird aber um einiges mehr verlangt.

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Digital Natives: ein gerne gebrauchter Begriff für jene Generation von jungen Menschen, die mit den digitalen Medien aufgewachsen sind – ihnen wird zugeschrieben, dass sie deren Gebrauch quasi intuitiv beherrschen.

Ein "gefährlicher Trugschluss" mit Konsequenzen für die spätere Arbeitssituation der Jungen, wenn es nach der ECDL Foundation, die die "European Computer Driving Licence" – ein Zertifikat für Computernutzung – vergibt, geht. Um ihre Prophezeiung zu untermauern, hat die ECDL in einem kürzlich veröffentlichten Paper Studien zusammengetragen, die zeigen, dass die Digital Natives keineswegs über die nötigen Skills verfügen, um neue Technologien sicher und effizient anzuwenden.

Laut einer australischen Studie sind beispielsweise nicht mehr als 15 Prozent der Studierenden fortgeschrittene IKT-Anwenderinnen und -Anwender. 45 Prozent können digitale Technologien überhaupt nur ansatzweise anwenden. Aus einer 2014 in Österreich durchgeführten Studie geht ebenfalls hervor, dass lediglich sieben Prozent der 15- bis 29-Jährigen über sehr gute Computerkenntnisse verfügen.

Mangelnde Medienkompetenz

Aber nicht nur ein mangelhafter technischer Umgang, auch ungenügende Medienkompetenz wird den Jungen nachgewiesen. Eine Untersuchung des Tech and Law Center an italienischen Unis zeigt etwa, dass sich nur ein geringer Teil über Sicherheitsfragen informiert. 42 Prozent der Studierenden waren sich beispielsweise der Sicherheitsrisiken bei Gratis-WLAN nicht ausreichend bewusst, 40 Prozent schützen den Zugriff auf ihr Telefon nicht, und die Hälfte prüft die von einem Programm zur Installation geforderten Berechtigungen nie oder selten.

Die International Computer and Information Literacy Study (ICILS) kam in einer Studie in neun EU-Ländern zu dem Schluss, dass nur etwa zwei Prozent der getesteten Studenten in der Lage sind, Informationen aus dem Web kritisch zu bewerten. Rund ein Viertel der getesteten Studenten und Studentinnen weist demnach ein niedriges computer- und informationsbezogenes Kompetenzniveau auf.

Selbstüberschätzung

Gleichzeitig überschätzen sich Junge häufig selbst, wenn es um ihren Umgang mit Informationstechnologien geht. In mehreren Untersuchungen stellte sich heraus, dass das Vertrauen in die eigenen Kenntnisse hoch ist, sich in der Praxis aber schnell Mankos zeigen. So bewerteten 84 Prozent in einem von der ECDL Foundation durchgeführten Test ihre Internetkenntnisse als "sehr gut" – das Ergebnis wies jedoch rund der Hälfte "schlechte" oder "sehr schlechte" Kenntnisse nach.

Der vermeintliche Grund für die Diskrepanz zwischen öffentlichem Bild, Selbsteinschätzung und tatsächlichem Können: Die Digital Natives eignen sich ihre Kenntnisse im Alltagsgebrauch digitaler Technologien an. Diese informell erlernten Skills halten den Herausforderungen der Arbeitswelt aber nicht stand. "Das Versäumnis, der Jugend in einer formalen Ausbildung umfassende Kompetenzen zu vermitteln, führt zu einer neuen digitalen Kluft zwischen digitalen Alltagskompetenzen und digitalen Arbeitsplatzkompetenzen", warnt Damien O'Sullivan, der Geschäftsführer der ECDL Foundation.

"Digitale Weisheit"

Junge, die hinterherhinken, sollten schleunigst mit den nötigen Fähigkeiten ausgestattet werden, andernfalls hätten sie künftig keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. "Wenn die erforderlichen Skills fehlen, führt das zu einer zunehmend verlorenen Generation, die ihr volles Potenzial als Lernende, Angestellte, Unternehmerinnen und Unternehmer, als Anwenderinnen und Anwender der digitalen Technologien nicht ausschöpfen kann", sagt O'Sullivan.

Geprägt wurde der Begriff Digital Natives übrigens 2001 vom amerikanischen Pädagogen Marc Prensky. Er erweiterte sein Konzept mittlerweile um die "digitale Weisheit". Eine digital weise Person kann Technologien gekonnt anwenden, bewertet sie kritisch und setzt sie bedacht ein. (Lisa Breit, 14.10.2015)