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Horst Seehofer trat nach einer Kabinettssondersitzung vor die Presse.

Foto: REUTERS / Michaela Rehle

München/Berlin/Wien – Jener Moment, vor dem man sich in Wien schon gefürchtet hatte, begann harmlos. Um 14 Uhr trat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer am Freitag vor die Presse, um zu erklären, wie sich sein Freistaat denn nun gegen den Flüchtlingsansturm aus Österreich zu wehren gedenke.

Von "Notmaßnahmen", über die in den Tagen zuvor immer wieder in München gemunkelt worden waren, war jedoch bei Seehofer keine Rede. Im Gegenteil, er stellte zunächst einmal konstruktive Maßnahmen in Aussicht, um die Flüchtlinge besser unterzubringen und zu integrieren: 3772 neue Stellen bei Polizei, Justiz, Verwaltung und in Bildungsreinrichtungen, Bau neuer Wohnungen, ein Beschäftigungspakt mit der Wirtschaft für 20.000 neue Ausbildungsplätze. 489 Millionen Euro werde das den Freistaat kosten. Doch das sei, so Seehofer, "gut angelegtes Geld".

Dann bat er seinen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf die Bühne, der durfte dann ein bisschen schärfer werden und die zweite "Säule" vorstellen und dabei erneut Druck auf die gastfreundliche deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel machen. Denn Bayerns Begehr lautet: "Sofortige Begrenzung der Zuwanderung."Die Kanzlerin müsse daher "ein schnelles und klares internationales Signal setzen, dass die Grenze der Belastbarkeit" in Deutschland erreicht sei.

"Effektiver" Grenzschutz gefordert

Außerdem fordert Bayern "effektiven" Schutz der EU-Außengrenzen, dort also bis Ende November "Hotspots" zur Registrierung von Flüchtlingen zu errichten. Zudem verlangt die CSU: "Der Bund und die EU müssen dafür Sorge tragen, dass Dublin wieder konsequent eingehalten wird." Herrmann, auch Richtung Österreich: "Alle anderen EU-Staaten müssen Dublin wieder konsequent einhalten, Deutschland auch." Er hat noch einen Auftrag für die Bundesregierung: "Flüchtlinge müssen unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn sie aus einem sicheren Land kommen." Dann fügte der Innenminister noch hinzu: "Deutschland ist unstreitig von sicheren Drittstaaten umgeben."

Und dann kam Herrmann doch noch zu den Notmaßnahmen: Entweder Merkel stelle nun eine "ordentliche Rechtslage" her oder "Bayern wird den Klageweg zum Bundesverfassungsgericht beschreiten." Eine Begründung dafür könnte sein, dass der Bund durch Untätigkeit in Flüchtlingskrise die "eigenstaatliche Handlungsfähigkeit der Länder" gefährde. Seehofer erklärt das Ganze so: "Der eine hält das Recht nicht ein, und der andere will, dass es eingehalten wird." Bayern, als Bundesland, kann selbst keinen Flüchtling zurückweisen. Das fällt in die Agenden der Bundespolizei, und diese untersteht dem deutschen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

Seehofer schaut nicht fern

Herrmann stellte dann noch weitere "anlassbezogene eigene Maßnahmen" in Aussicht, ohne konkret zu werden. "Aber gehen' S davon aus, dass wir schon wissen, was wir tun werden", fügte Seehofer hinzu und erklärte auch: "Meine Wertschätzung gegenüber der Bundeskanzlerin hat sich nicht geändert." Ihr viel beachtetes Interview bei Anne Will in der ARD, in dem sie wieder "wir schaffen das" sagte, hat er nicht gesehen: "Ich verbringe meine Freizeit nicht mit Fernsehen."

Keine Gedanken machen

Kanzleramtsminister Peter Altmaier reagierte am Abend gelassen auf die Klagsdrohung. Die Bundesregierung habe keinen Anlass, sich deswegen Gedanken zu machen, sagte Altmaier, der erst am Mittwoch zum Koordinator der Regierung beim Thema Flüchtlinge ernannt wurde, am Freitag in den ARD-Tagesthemen. "Wir sind überzeugt, dass wir auf dem Boden des Grundgesetzes handeln und dass es ja gerade das Grundgesetz ist, was uns dazu verpflichtet, den Menschen zu helfen, die in Not sind."

In Wien reagierte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zurückhaltend auf die bayrischen Äußerungen. Die österreichische Bundesregierung sei mit der deutschen Regierung laufend in Kontakt. Bei Rückweisungen an der Grenze zu Deutschland werde es zu einem "Rückstau" in Österreich kommen. Die Situation zeige einmal mehr, dass es eine europäische Lösung brauche. Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) meinte, die bayrischen Vorschläge seien ausschließlich "an die deutsche Bundesregierung adressiert". (Birgit Baumann, 9.10.2015)