Klagenfurt – Die bunte Projektkette zum 100. Geburtstag Christine Lavants schließt sich am Stadttheater Klagenfurt. Der Titel klingt wie die Anrufung der großen Autorin: Lavant!. Oder auch nach einer schon recht verzweifelten Suche. "Diese Scherben habe ich gestrandet", hätte Ezra Pound vermutlich das Resultat der Zitatenrevue genannt, die Bernd Liepold-Mosser mit seiner Frau Ute Liepold textlich kompiliert hat.

Die Bühnenumsetzung besorgte Bernd Liepold-Mosser allein: Ein schräger, teils absichtlich, teils unabsichtlich irreführender Blick auf eine Dichterin, die nicht, vom Symbolismus Rainer Maria Rilkes kommend, zur damals zeitgemäßen Hermetik Günter Eichs oder Peter Huchels strebte, sondern eher irgendwo zwischen Art brut und Bewusstseinserweiterung à la Patti Smith oder Kurt Cobain schweift. Es gibt auch eine Sängerin (Clara Luzia) und eine kleine, Percussion-dominierte Band.

Beglückende Betroffenheit

Wer sich einen gültigen Zugang zu Leben und Schreiben Christine Lavants erhofft, wird irritiert bis enttäuscht. Das hat der alte Dramaturgie-Fuchs Hermann Beil mit Andrea Eckert für den Carinthischen Sommer viel besser hingekriegt. Wer aber unmittelbar betroffen werden will, den wird die intensive Rezitation zahlreicher Gedichte, Briefstellen und Prosapassagen u. a. durch Jele Brückner, Sandra Lipp und Nadine Zeintl beglücken, die sich in das auf acht Figuren zersplitterte Lavant-Ich in Sprache, Gesang und Bewegung mit Abstand am überzeugendsten einfühlt.

Die sechs Wochen, die Lavant in ihrer Jugend nach einem Selbstmordversuch in einer Klagenfurter Nervenheilanstalt verbrachte, literarisiert in ihren Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus, bleiben in den Videoprojektionen auf das weiße, zerknitterte Halbrund, das die Bühne nach hinten abschließt, durchwegs präsent. Seiner anhaltenden Liebe zum Film huldigt der Regisseur auch auf vier Monitoren am Bühnenhimmel, auf denen gegen Ende die bereits verstummte Dichterin Blumen pflückt.

Leider ist das nicht das letzte Bild. Die acht Darsteller müssen noch der Todtraurigkeit der Texte durch einen versöhnlichen Abgang entrinnen, wozu die Nebelmaschine kräftig dampft. Falls nur zu beweisen war, dass diese Autorin mitsamt ihrer politischen Großzügigkeit in der Wahl ihrer Freundschaften dem heutigen Bewusstsein immer noch hochinteressant ist, ist diese merkwürdige Produktion gelungen. (Michael Cerha, 10.10.2015)