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Expremierminister Ivo Sanader wurde 2010 in Österreich verhaftet und 2011 an Kroatien ausgeliefert.

Foto: APA/EPA/ANTONIO BAT

Es ist eine Frage der Zeit, wann seine Anwälte die 1,6 Millionen Euro zusammenhaben werden und Expremier Ivo Sanader auf Kaution freigeht. Dass der Exchef der kroatischen konservativen Partei HDZ das Gefängnis verlassen darf, weil die Urteile gegen ihn wegen Verfahrensfehlern aufgehoben wurden, sorgt nicht nur in Kroatien für Aufruhr.

In der gesamten Region galt seine Verurteilung vor dem EU-Beitritt 2013 als Warnsignal an alle korrupten Politiker: "Der muss aufpassen, dass es ihm nicht wie dem Sanader geht! Wenn der in die EU will, dann geht es ihm wie dem Sanader!", lauteten die Prognosen für viele Parteichefs in Südosteuropa, wo Vetternwirtschaft und Korruption so normal sind wie in Wien das Herumgranteln.

Schwächen der Justiz

Dass Höchstgerichte alle Urteile in den drei Prozessen gegen Sanader aufgehoben haben, offenbart aber vor allem die Schwächen der Justiz, insbesondere der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft Uskok. Denn trotz jahrelanger Verfahren wurde damit kein Prozess wirklich zu Ende geführt.

Die Uskok ist zudem intransparent. Wann auch immer man zu einem Fall um Auskunft bittet, es kommt immer das gleiche Mail zurück: "Beachten Sie bitte, dass wir gemäß der Bestimmungen des Gesetzes keine Möglichkeit haben, Informationen über Untersuchungen der Staatsanwaltschaft weiterzugeben."

Die Prozesse müssen nach der jüngsten Entscheidung der vergangenen Woche nun neu aufgerollt werden. In den Fällen Hypo und Ina-Mol war Sanader publikumswirksam kurz vor dem EU-Beitritt Kroatiens im November 2012 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ihm war vorgeworfen worden, zehn Millionen Euro Schmiergeld für den Verkauf von Anteilen des kroatischen Erdölunternehmens Ina an die ungarische Mol angenommen zu haben sowie 480.000 Euro von der Hypo Group Alpe Adria für den Markteintritt der Hypo in Kroatien.

Doch gerade in diesen beiden Fällen war die Anklage schwach. Manche Beobachter hielten es auch für geradezu unlogisch, dass Sanader für den Markteintritt der Hypo geschmiert worden sein soll, weil Kroatien und die HDZ ja daran selbst nur Interesse haben konnten. "Das Problem war, dass die Staatsanwaltschaft mit den politisch interessanten Prozessen begonnen hat, für die es aber keine harten Beweise gab, statt mit jenen, wo es solche gab", kritisiert der kroatische Analyst Davor Gjenero. Er glaubt nicht, dass Sanader in den Fällen Ina-Mol und Hypo noch einmal verurteilt werden wird. Sanader bestand jedenfalls auf einem neuen Richter.

Schwarze Kassen

Ganz anders liegt der Fall Fimimedia, in dem es zahlreiche Beweise gibt und ein System von schwarzen Kassen offengelegt wurde. Sanader wurde im März 2014 zu zwei Millionen Euro Strafe und neun Jahren Haft verurteilt, weil er über Aufträge an die private Marketingfirma Fimimedia öffentliche Gelder umgeleitet haben soll, die dann wieder in die Partei flossen. In diesem Fall sei – so Gjenero – der Fehler gewesen, dass gegen Sanader und den Exschatzmeister der HDZ, Mladen Barisic, zugleich prozessiert wurde. Barisic war Zeuge und Angeklagter zugleich. Wäre der Prozess gegen Sanader nach dem Barisic-Verfahren geführt worden, wäre er anders ausgegangen, glaubt Gjenero. "Die Aufhebung des Urteils hat keine politischen Hintergründe, sondern zeigt nur die Inkompetenz der Staatsanwälte."

Im Fall Fimimedia wurde ursprünglich auch die HDZ selbst verurteilt, die nun frohlockt, dass das Urteil aufgehoben wurde. Falls die HDZ die Parlamentswahlen am 8. November gewinnen sollte, könnte in dem neu aufgerollten Fall der Druck auf die Justiz steigen, die in Kroatien auch nach dem EU-Beitritt als anfällig für politische Interventionen gilt. Gjenero meint etwa, dass der ehemalige Generalstaatsanwalt Mladen Bajic "mit allen Deals gemacht" hat. "Wenn die HDZ zurück an die Macht kommt, würde Bajic sofort wieder mit denen zusammenarbeiten."

Schwache EU-Kommissarin

Hinzu kommt dass die EU-Justizkommissarin, die Tschechin Vera Jourová, als Schwachstelle in der Kommission gilt – insbesondere als Nachfolgerin der resoluten Viviane Reding, die auch im Fall Kroatiens sehr nachdrücklich auf die Einhaltung von rechtsstaatlichen Standards achtete. Als Kroatien etwa versuchte, den in Deutschland angeklagten Exgeheimdienstler Josip Perkovic per Gesetz vor der Auslieferung zu schützen, drohte Reding Sanktionen an. Und Kroatien lenkte ein. (Adelheid Wölfl aus Zagreb, 9.10.2015)