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Der Chef der OSZE-Beobachtermission, Kent Harstedt, am Montag bei der Pressekonferenz.

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Protest gegen das Wahlergebnis in Weißrussland.

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Minsk – Bei der Präsidentschaftswahl in Weißrussland hat es nach Einschätzung internationaler Wahlbeobachter "bedeutende Probleme" gegeben. Es sei klar, dass das Land "noch einen langen Weg vor sich hat, um seine demokratischen Verpflichtungen zu erfüllen", sagte der Chef der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Kent Harstedt, am Montag in Minsk.

"Einige bedeutende Probleme, insbesondere bei der Auszählung und Auswertung der Stimmen, untergraben die Integrität der Wahl", sagte er. Laut den internationalen Wahlbeobachtern wurde die Hoffnung auf Demokratie-Fortschritte "großteils enttäuscht".

Nach Angaben der Wahlkommission hat der seit mehr als 20 Jahren autoritär herrschende Präsident Alexander Lukaschenko die Wahl mit 83,5 Prozent gewonnen. Oppositionsführer erkennen die Wahl nicht an, weil sie nicht als Kandidaten zugelassen waren. Die EU erwägt dennoch, gegen Lukaschenko bestehende Sanktionen aufzuheben.

Boykott der Opposition

Lukaschenkos drei weitgehend unbekannten Gegenkandidaten waren keinerlei Chancen eingeräumt worden. Tatjana Korotkewitsch kam mit 4,4 Prozent auf den zweiten Platz.

Gegnern Lukaschenko blieb nur die Möglichkeit, gegen sämtliche Kandidaten zu stimmen. Davon machten landesweit 6,4 Prozent Gebrauch, in Minsk waren es nach Angaben der Wahlkommissionschefin Lidija Jermoschina mit 20,6 Prozent die meisten. Dort erzielte Lukaschenko mit 65,6 Prozent auch sein landesweit schlechtestes Ergebnis.

Keine Demos geduldet

Lukaschenko gab seine Stimme am Sonntag in Begleitung seines elfjährigen Sohns Nikolaj ab. An die Opposition gerichtet sagte der 61-Jährige, er werde nach der Wahl keine Demonstrationen dulden: "Die Wahllokale schließen um 20 Uhr. Ich rate ihnen, sich an das Gesetz zu halten. Sie wissen, was passieren wird."

Nach der Präsidentenwahl 2010 waren Regierungsgegner aus Protest gegen das Wahlergebnis (79,6 Prozent für Lukaschenko) auf die Straße gegangen. Lukaschenko ließ die Demonstrationen brutal niederschlagen und zahlreiche Menschen festnehmen. Bei der Wahl 2006 hatte er 83 Prozent der Stimmen erzielt.

Erste Bewertung der EU am Montag

Die diesjährige Wahl wird von der EU genau verfolgt, die eine Aussetzung der Sanktionen gegen Weißrussland erwägt. Eine erste Bewertung soll am Montag beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg erfolgen. Grundlage für weitere Entscheidungen sollen Berichte der OSZE-Wahlbeobachter sein.

Die EU muss die Entscheidung dazu vor dem 31. Oktober treffen. Dann laufen die bisherigen Sanktionen ohne Erneuerung automatisch aus. Bei einer positiven Einschätzung solle in zwei Schritten vorgegangen werden, wie es in EU-Kreisen hieß. Die EU werde zunächst die Sanktionen nochmals um vier Monate bis Ende Februar 2016 verlängern, ihre Anwendung aber aussetzen. Die Mitgliedstaaten würden danach Anfang des Jahres prüfen, ob sie die Strafmaßnahmen komplett aufheben, die seit 2004 verhängt wurden.

Oppositionelle freigelassen

Lukaschenko hatte zuletzt einige Gesten des guten Willens vollzogen. Er ließ vor dem Urnengang sechs inhaftierte Oppositionspolitiker frei, darunter seinen einstigen Gegenkandidaten Mikola Statkewitsch. Sie galten als letzte politische Gefangene in der früheren Sowjetrepublik. Zur Wahl durften sie allerdings nicht antreten.

Statkewitsch rief die EU auf, die Sanktionen aufrechtzuerhalten. Auch die diesjährige Literaturnobelpreisträgerin, die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch, sprach sich gegen eine Annäherung der EU an Lukaschenko aus. (APA, 11.10.2015)