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OECD-Generalsekretär Ángel Gurría kämpft schon seit Jahren gegen die Steuerflucht von Konzernen

Foto: Reuters/Hannibal

Wien – Ein 15-Punkte-Aktionsplan, vorgelegt von der OECD, am Freitag von der G20 abgesegnet, soll die umstrittenen Steuervermeidungsstrategien multinationaler Konzerne (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) beenden. Doch nach Einschätzung von Claus Staringer, Steuerrechtsprofessor an der WU Wien und Partner bei Freshfields, ist die Wirksamkeit des OECD-Plans fraglich.

Niedrige Verbindlichkeit

Denn von den 15 Aktionspunkten sind nur drei verpflichtend, die anderen Empfehlungen oder gar nur Anleitungen für nationale Finanzbehörden. "Der Grad der Verbindlichkeit der BEPS-Initiative ist relativ niedrig", sagt Staringer zum STANDARD.

Was international rasch kommen wird, sind neue Berichtpflichten der Konzerne über ihre internen Verrechnungspreise, die die Grundlage für Gewinnberechnungen bilden. Für dieses "Country-by-Country-Reporting" ist in Österreich bereits ein Gesetzesentwurf vorbereitet, der Anfang 2016 in Kraft tritt. Demnach müssen Konzerne in ihrem Heimatstaat wichtige Kennzahlen aus allen Ländern, in denen sie aktiv sind, an ihre Finanzbehörde melden, und diese werden komplett an alle betroffenen Länder verschickt.

Streit um den Steuerkuchen

Staringer sieht darin "eine hochtransparente Offenlegung der Wertschöpfungskette", die allerdings dazu führen werde, dass Länder miteinander viel mehr um ein Stück des Steuerkuchens streiten. Dazu besteht die Gefahr, dass solche sensiblen Daten irgendwo in der Welt an die Öffentlichkeit gelangen und so etwa in die Hände von Mitbewerbern fallen. "Das ist ein hochsensibles Thema für Konzerne und macht alle sehr unruhig", sagt Staringer.

In Erwartung von Steuerkonflikten zwischen Ländern sieht der OECD-Plan ein verbessertes Streitbeilegungsverfahren vor, das erstmals verpflichtende Schiedsklauseln enthält. Denn bisher habe es beim Mutual Agreement Procedure keinen Einigungszwang gegeben – was dazu führen kann, dass der gleiche Gewinn von zwei Staaten besteuert wird.

Kein Treaty Shopping mehr

Bindend ist auch die Bekämpfung des Missbrauchs von Doppelbesteuerungsabkommen, dem Treaty Shopping, das Konzernen zu Steuervorteilen verhelfen kann. In Österreich und Deutschland wird ein solcher Missbrauch, wenn erkannt, schon lange unterbunden, in den USA etwa nicht. Allerdings passten die neuen Regeln nicht ganz zur bestehenden inländischen Gesetzgebung, was zu Unklarheiten führen kann, warnt Staringer.

Mittelfristig sollen die vielen bilateralen Doppelbesteuerungsverträge in ein neues multilaterales Abkommen eingepasst werden, um Mehrgleisigkeiten überhaupt zu verhindern. Doch dies sei ein Eingriff in die Verhandlungspolitik der Staaten und daher für manche nicht akzeptabel.

Divergierende Dividendenbesteuerung

Nur als Empfehlung gilt die Aufforderung, hybride Fehlgestaltungen (Hybrid Mismatch) zu unterbinden – etwa wenn Dividenden in einem Staat abzugsfähig sind und in einem anderen nicht besteuert werden. Auch dies werde in Österreich bereits unterbunden, allerdings sei es unklar, ob die jetzigen Regeln reichen, meint Staringer.

Bei der Frage der Hinzurechnung der Einkünfte ausländischer Töchter (Controlled Foreign Companies) im Inland werde schon jetzt in Österreich darauf geschaut, dass rein passive Einkünfte, etwa aus Lizenzen, in Niedrigsteuerländern in Österreich nachbesteuert werden, um so eine Verlagerung von Gewinnen zu vermeiden. Bei aktiven Einkünften, etwa aus Fertigung oder Ölbohrungen, geschehe das nicht, "und mit dieser Regelung ist man als Exportland immer gut gefahren", sagt Staringer. "Eine Verschärfung wäre nicht gescheit."

Konzerninterne Verrechnungspreise

Unternehmen mit hohen immateriellen Wirtschaftsgütern wie etwa Google können auch über konzerninterne Verrechnungspreise Gewinne in Steueroasen verschieben. Auch dies werde vom heimischen Fiskus nur akzeptiert, wenn die ausländische Tochter mehr als eine Briefkastenfirma ist. Derzeit gilt die Regel, dass die Gesellschaft zur Patentverwaltung fähig ist. Die OECD wünscht, dass sie auch Patente selbst entwickeln können muss. Dies kann aber auch in einer dezentralen Forschungsstruktur erfolgen, wenn die Kontrolle über die Entwicklung beim Auftraggeber bleibt. Nachgeschärft sollen laut OCED auch die Regeln zur Vermeidung künstlicher Betriebsstätten werden.

Und schließlich will die Organisation in Zukunft das gesamte BEPS-Phänomen besser messen und dokumentieren, denn derzeit würden harte Zahlen fehlen, sagt Staringer. Er hält die von der OECD genannten Schätzungen, wonach zwischen vier und zehn Prozent der Körperschaftssteuern vermieden werden, für zu hoch.

Strenge Steuerpraxis in Österreich

Insgesamt hätten der Aktionsplan dank der strengen Steuerpraxis wenig Auswirkungen auf Österreich. Allerdings sieht Staringer die Gefahr, dass andere Länder in Zukunft Töchter inländischer Unternehmen auf Grundlage der neuen Regeln höher besteuern: "Ein Exportland wie Österreich wäre dann der Verlierer." (Eric Frey, 12.10.2015)