Ob im weltweiten Glassdor-Ranking oder bei heimischen Ranglisten – etwa im Trendence Barometer: Der Suchmaschinenriese Google geht oft als bester Arbeitgeber hervor. Nicht erst, seit Owen Wilson und Vince Vaughn in dem Film "Prakti.com" auf dem bunten Campus herumalbern, spricht man überall auf der Welt von den vielen Benefits, die es für Mitarbeiter des Google-Universums angeblich gibt: Ob Minigolfplatz, Rutsche oder Fitnesscenter, den Mitarbeitern fehlt es an nichts. Die Herangehensweise ist somit eine komplett andere als etwa bei Amazon, wo der harte Umgang mit den "Amazonians" vor wenigen Wochen weltweit für Schlagzeilen sorgte.

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Foto: Edgar Su/Reuters

Krawatte daheim lassen

Auch die sozialen Leistungen, die es bei Google gibt – das sind zum Beispiel die für die USA untypische 18-wöchige bezahlte Karenz und Kinderbetreuung am Arbeitsplatz –, sorgen für die angeblich sehr hohe Zufriedenheit: Laut Daten der Seite PayScale liegt diese bei 84 Prozent, dabei dürfte auch das Gehalt von durchschnittlich 133.000 Dollar (119.200 Euro) seinen Beitrag leisten.

Der Schlüssel zu einem guten Arbeitsplatz seien konstante Innovation, viele Experimente und auch eine Portion Spaß, schreibt Googles HR-Boss Laszlo Bock in seinem Buch "Work Rules", in dem er auch den besonderen Rekrutierungsprozess beschreibt. Bock selbst behielt die Krawatte in der Hosentasche, als er sich bei Google das erste Mal vorstellte. Bekannte rieten ihm davon ab, allzu förmlich zu erscheinen: "Die werden denken, du verstehst ihre Kultur nicht, wenn du im Anzug kommst."

Knifflige Bewerbungsfragen

Kein Geheimnis ist, wie selektiv Google dabei vorgeht, die richtigen "Googlers" zu finden. Zwei Millionen Bewerbungen würden das Unternehmen jährlich erreichen – inklusive Besonderheiten: Bock erhielt T-Shirts mit darauf abgedruckten Lebensläufen, Sneakers von jemandem, der "einen Fuß in die Tür" bekommen wollte, und andere Absurditäten. Nur einen Bruchteil dieser Bewerbungen jedes Jahr zu akzeptieren mache Google 25-mal so selektiv wie Harvard, Yale und Princeton, schreibt das Magazin "Fast Company".

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Foto: Edgar Su/Reuters

Wie die Vorstellungsgespräche dann aussehen, kann man nicht nur in Onlineforen nachlesen. Mit "Are You Smart Enough to Work at Google" lässt Autor William Poundstone schon im Titel erahnen, dass auf den folgenden Seiten einige knifflige Fragen aus dem Bewerbungsprozess vorgestellt werden. In dem 2012 veröffentlichten Buch zum Beispiel unter den Aufgaben: Erstellen Sie einen Evakuierungsplan für San Francisco, verwenden Sie eine Programmiersprache, um ein Hühnchen zu beschreiben, oder wie viel Geld würden Sie dafür verlangen, alle Fenster in Seattle zu putzen?

Gute Noten sind nicht alles

Fest steht aber, dass man sich mit diesem Buch nicht auf Google-Interviews vorbereiten kann, denn standardisiert sind diese sicher nicht. Laut Bock sucht man nach Menschen mit einer bestimmten Einstellung. Gute Noten und tolle Abschlüsse sind dabei nebensächlich. Man müsse sich ständig damit befassen, das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten zu erweitern. Ein akademischer Grad sei heutzutage keine Garantie mehr dafür, dass man über das notwendige Rüstzeug zum Erfolg verfüge. "Man braucht keinen Titel, um talentiert zu sein." Als Verantwortlicher lohne es sich, ein Auge auf jene zu haben, die ihren Weg auch ohne Abschluss gehen.

Rätsel lösen als Alternative

Während sich Millionen weltweit bewerben, findet Google aber auch auf andere Weise zu den "Googlers". Etwa wenn man nach bestimmten Begriffen aus der Programmiersprache sucht. "Du sprichst unsere Sprache. Bereit für eine Herausforderung?", wurde Max Rosett in dem Fall gefragt. Er konnte dann an einer Art Rätsel teilnehmen und hatte nach erfolgreichem Absolvieren das Jobangebot in der Tasche.

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Foto: Marcio Jose Sanchez/AP

Die schwierige Selektion verstärkt das Image von Google als Arbeitgeber, dem etwas beinahe Mystisches anhaftet. Wie ist es also wirklich, beim Suchmaschinenriesen gelandet zu sein? Gibt es die ganzen Goodies? Ist die Bezahlung wirklich so gut und die Unternehmenskultur tatsächlich so zentral?

Wo viel Licht ist ...

Es ist kein Geheimnis, dass es die Goodies tatsächlich gibt. Viele "Googlers" betonen in Interviews allerdings, dass es nicht diese Dinge sind, die ihren Job so großartig machen, und verweisen auf das Miteinander und die vielbeschworene Unternehmenskultur, Innovationsfreude und den ständigen Wandel.

Solche Erfahrungsberichte und Beteuerungen Bocks, nach diversen Kanditen, auch ohne Abschluss, zu suchen, täuschen natürlich nicht über kritische Entwicklungen beim Mega-Unternehmen hinweg: Diversität herrscht weitgehend keine unter den Mitarbeitern. Das Unternehmen zeigte sich selbst darüber "mehr als enttäuscht" und investierte letztes Jahr Millionen.

Kaum Diversität

Verändert hat sich aber nicht viel: Im gesamten Unternehmen bleibt die Verteilung zwischen Männern und Frauen bei 70:30. Bei den asiatischstämmigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gab es ein Prozent Zuwachs auf 31 Prozent – die niedrigen Anteile von afroamerikanischen Mitarbeitern (zwei Prozent) und Hispanics (drei Prozent) blieben unverändert. Für Google sind das alles positive Zeichen. "Bei einem Unternehmen unserer Größe brauchen nachhaltige Veränderungen eben Zeit", sagte Nancy Lee. Sie ist bei Google für Inklusion und Diversität zuständig, US-amerikanischen Medien zufolge wird das Budget weiter vergrößert: von 115 Millionen Dollar 2014 auf 150 Millionen Dollar für Diversity-Initiativen dieses Jahr.

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Foto: Reuters/Lucy Nicholson

Wohlfühlen bis zum Gehtnichtmehr

Nicht so handfest wie diese Zahlen ist eine andere Kritik. Sie bezieht sich auf die Unternehmensphilosophie und das Umfeld, das Mitarbeitern in den verschiedenen Standorten geboten wird. Diese Kritiker machen vor allem darauf aufmerksam, dass durch die Verlagerung von Freizeitangeboten zum Arbeitsplatz der Lebensmittelpunkt stärker zu Letzterem wandert. Mitarbeiter sollen sich so wohlfühlen, dass sie gar nicht mehr nach Hause wollen, wirklich alles für das Unternehmen geben – eine Kritik, die natürlich nicht nur an Google, sondern auch an andere Silicon-Valley-Firmen gerichtet ist. (Lara Hagen, 12.10.2015)