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Ernst Schmiederer (Hg.)
Wir wollen, wir können, wir werden
Berichte aus dem AMS. Unsere Krisen. Unsere Träume. Junge, berufslose Eltern erzählen
Edition Import/Export 2015
136 Seiten, 15,40 Euro

Foto: apa

"Ich habe keine Ausbildung gemacht. Mit 17 Jahren habe ich geheiratet, das war meine Entscheidung. Jetzt sind wir getrennt – ist auch besser. Er lebt sein Leben, ich mein Leben mit meinen Kindern … Jetzt suche ich dringend einen Job", schreibt Natasa, 24. Sie ist eine von 77 jungen Frauen und Männern, die in dem bemerkenswerten Buch "Wir wollen, wir können, wir werden" sehr offen aus ihrem Leben berichten. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie keine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung haben und bereits Eltern von einem oder mehreren Kindern sind.

Insgesamt sind es 55.000 Wiener Jugendliche unter 25 Jahren, die nur einen Pflichtschulabschluss haben, 4.000 davon sind selbst schon Mutter oder Vater. Das hat massive Auswirkungen auf das Leben dieser junger Eltern: "Jedes Jahr im Ausbildungssystem bringt in Österreich fünf Prozent mehr Einkommen. Das Risiko, arbeitslos zu werden, sinkt auf ein Drittel. Die Armutsgefährdung nimmt ab", schreibt Doris Landauer, die Leiterin des Forschungsprojekts "Perspektiven für unentdeckte Talente – Prävention und Intervention bei frühzeitigem Bildungsabbruch".

Neun Schreibworkshops

Sie ist es auch, die die jungen Eltern eingeladen hat, an einem der neun Schreibworkshops teilzunehmen, bei denen die Beiträge zu diesem Buch entstanden sind. Ebenso vielfältig wie ihre Lebensgeschichten sind die Schreibstile der Menschen: Dilek, 23, aus der Türkei spricht und schreibt schon gut Deutsch, hat ein Kind und möchte als Kindergärtnerin arbeiten. Siham, 25 aus Marokko hat zwei Kinder und beschreibt, wie sie mit Nachrichten, Reportagen und der Zeitung Deutsch gelernt hat. Sie will als Altenpflegerin arbeiten. Patvinder, 25, aus Indien, zwei Kinder, spricht mit Deutsch jetzt vier Sprachen und hat inzwischen einen Job.

Es ist dem Herausgeber Ernst Schmiederer und dem Redaktionsteam des Blinklicht Media Lab hoch anzurechnen, dass es ihnen über weite Strecken gelungen ist, die "Orthografie vorsichtig zu begradigen" und dabei den individuellen Ton der Erzählenden zu bewahren. So werden hinter den bloßen Zahlen Menschen sichtbar, die zum Teil Migrationshintergrund haben oder auch nicht. Ihre Ängste und Nöte, aber auch ihre Kraft, weiterzumachen auch mit kleinen Kindern und manchmal ungenügender Betreuungssituation. "Unsere Krisen, unsere Träume" heißt der Untertitel dieses Bandes aus der Edition Import/Export. Damit mehr dieser Träume eine realistische Basis bekommen, ist dem Buch ein Serviceteil mit den Adressen der wichtigsten Anlaufstellen angefügt. (Tanja Paar, 29.10.2015)