So viele Wahlkarten wie heuer wurden noch nie bei einer Wiener Wahl angefordert. Der Großteil langte bis Wahlschluss bei der Behörde ein, Einzelprobleme gab es aber trotzdem.

Wien – Sie beantragte die Wahlkarte 14 Tage vor der Wien-Wahl am 11. Oktober, bekam sie aber nie zu sehen. Viele Telefonate später erfuhr Kerstin M. (Name geändert) nur, dass ihre Wahlkarte an einer falschen Adresse von einem Unbekannten entgegengenommen worden war. Mitarbeiter der Wahlbehörde hätten an dieser Adresse schließlich sogar die Altpapiercontainer vergeblich nach M.s Wahlkarte durchsucht. Bei der Post heißt es auf Nachfrage des STANDARD, dass ein Fehler passiert sei. Dass ein Briefträger sich bei der Adresse irrt, könne schon einmal vorkommen. Dass das Einschreiben an eine fremde Person ging, sei "nicht in Ordnung".

Wer eine Wahlkarte beantragt, bekommt diese eingeschrieben zugeschickt. Wenn der Kartenbesteller nicht zu Hause ist, darf die Wahlkarte an eine erwachsene Person im Haushalt übergeben werden. Oder es wird ein gelber Zettel zur Abholung hinterlegt.

Insgesamt rund 3000 Wahlkarten wurden heuer nicht abgeholt. Diese seien kurz vor der Wahl "kistenweise" in den Magistrat zurückgestellt worden, heißt es aus dem zuständigen Stadtratsbüro von Sandra Frauenberger (SPÖ). Der Magistrat habe versucht, alle, die ihre Karte nicht abgeholt hatten, zu informieren, dass sie am Wahltag noch wählen könnten.

Unklarer Verbleib

Von den 203.874 ausgestellten Wahlkarten wurden 174.973 von Wählern per Post retourniert oder beim Amt abgegeben. Mit rund 4500 wurde in bezirksfremden Wahllokalen abgestimmt. Unklar ist nur, was genau mit den restlichen rund 20.000 zugestellten Karten passiert ist. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die Antragsteller haben doch nicht gewählt, oder sie nahmen die Wahlkarte in ihr eigenes Wahllokal mit.

Mit der Wahlkarte wollte Claudia P. in einem anderen Bezirk wählen, weil sie umgezogen war. Abgeben konnte sie ihre Stimme aber vorerst nicht, da P. das Kuvert bereits unterschrieben hatte.

Wahlkarte als Nachweis

Eine Wahlkarte dient im fremden Sprengel als Wahlberechtigungsnachweis, da man dort nicht im Wählerverzeichnis steht. Die Karte wird abgegeben, dafür wird ein Stimmzettel ausgehändigt, das Kreuzerl macht man wie üblich in der Wahlkabine. Ist die Wahlkarte zugeklebt, kann man die Identität der Wähler nicht mehr nachvollziehen und die Karte muss am Bezirksamt abgegeben werden. Sie muss am Wahltag bis 17 Uhr bei der Behörde eingelangt sein. So kann niemand sein Kreuzerl erst setzen, wenn das vorläufige Wahlergebnis schon feststeht. Bis zur Wahlrechtsreform 2011 waren die Stimmen gültig, kamen sie spätestens acht Tage nach der Wahl an. Eine nichtunterschriebene per Post geschickte Karte zählt übrigens nicht als ungültig, sondern wird den Nichtwählern zugeschrieben.

Keine Duplikate

Claudia P. konnte zwar wählen, musste dafür aber in ihren alten Bezirk fahren. Kerstin M., deren Wahlkarte nie bei ihr ankam, konnte nicht wählen. Denn: "Es gibt keine Duplikate", so die Info aus dem Stadtratsbüro. So wolle man Wahlbetrug verhindern.

Von dem ging Dienstag die FPÖ aus. Heinz-Christian Strache fand es "eigenartig", dass "hauptsächlich für SPÖ, ÖVP und Grüne" per Wahlkarte gestimmt wurde. Das Meinungsforschungsinstitut Sora zeigte aber, dass "das Wahlkartenergebnis der FPÖ aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit der erwarteten Größenordnung" entspricht. 2010 büßten die Blauen durch die Wahlkarten 1,27 Prozentpunkte ein, 2015 waren es 1,44 Prozentpunkte. (Oona Kroisleitner, Christa Minkin, 15.10.2015)