Bis jetzt arbeiten jugendliche Asylwerber meist in der Gastronomie oder in der Landwirtschaft. Laut Regierung soll sich das ändern, ein Blick auf die AMS-Daten verrät aber, dass das unwahrscheinlich ist.

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Als Vorbild in Sachen Lehre für jugendliche Flüchtlinge sieht Wilhelm Rabl, Leiter des Laura-Gatner-Hauses des Diakonie Flüchtlingsdienst, Deutschland. Den Jugendlichen werde dort doppelt so viel Zeit für Bridging Courses zur Verfügung gestellt.

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Jugendliche Flüchtlinge sollen rasch in den Arbeitsmarkt eingebunden werden, zumindest wünscht sich das die Regierung: Anfang September beschloss Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), dass Asylwerber bis 25 ab sofort in allen Mangelberufen eine Lehre beginnen dürfen. Nachsatz: wenn das AMS keinen inländischen oder integrierten ausländischen Jugendlichen findet.

Neue Regeln aber kaum Verbesserung

Bisher sind Flüchtlinge vor allem in Landwirtschaft und Tourismus beschäftigt. Eine Analyse der AMS-Daten durch den STANDARD ergibt, dass sich daran auch mit dem neuen Erlass nicht viel ändern dürfte: Denn nicht in allen Mangelberufen (zum Beispiel Dachdecker, Fräser, Hutmacher oder Schweißer) werden Lehrlinge gesucht. Bedarf besteht in jenen Bereichen, in denen Flüchtlinge auch bisher schon anfangen konnten (große Lücken gibt es etwa bei den Köchen, aber auch bei Gastronomiefachmännern oder -frauen) und im Lehrberuf "Einzelhandelskaufmann und -frau". Nur in vier Bundesländern gibt es mehr offene Stellen als Suchende – österreichweit kann nicht von einem Lehrlingsmangel gesprochen werden. Wie also mit der Situation umgehen?

Rewe wird selbst aktiv

Rewe möchte 20–30 Lehrstellen mit jugendlichen Flüchtlingen besetzen – zum Teil wurden sie eigens dafür geschaffen. Oberstes Kriterium ist laut Johannes Zimmerl, dem Direktor des Konzernpersonalwesens, Interesse. "Viele der Jugendlichen sind erst kurz in Österreich, deswegen wird es in den ersten Wochen der Ausbildung intensive Sprachkurse geben." Außerdem sind Schulungen geplant, um die neuen Lehrlinge über österreichische Produkte und die Kultur zu informieren. "Wir möchten damit Integration, Akzeptanz und Wertschätzung fördern", sagt Zimmerl. Der Prozess, jugendliche Flüchtlinge aufzunehmen, sei gut für das Unternehmen im Allgemeinen. "Wir lernen sicher viel daraus."

Fast nur Absagen für Flüchtlinge

Für Wilhelm Raber, den Leiter des Laura-Gatner-Hauses des Diakonie-Flüchtlingsdienstes, sind solche Projekte Augenauswischerei. "Es geht nicht um 30 Plätze, sondern um das Ändern einer ganzen Kultur." Von den 46 jugendlichen Flüchtlingen, die im Laura-Gatner-Haus aktuell Platz finden, hätten nur zwei aktuell eine Lehrstelle und diese nur durch Beziehungen erhalten. "Ich habe nicht ein einziges Mal erlebt, dass einer unserer Jungs auf regulärem Weg eine Stelle gefunden hat", sagt Raber. "Sie schreiben hunderte Bewerbungen und gehen mit großem Engagement an alles, was sie tun."

Deutschland als Vorbild

Der aktuelle Erlass ist in seinen Augen "wertlos". Was es braucht? Mehr Zeit. Die Jungen würden zwar in einem Jahr den Hauptschulabschluss schaffen, seien aber noch nicht qualifiziert genug für die Lehre. Deutschland sei hier ein Vorbild, dort dauern Übergangskurse zwei Jahre, und die Jugendlichen seien danach sehr gut an Arbeitgeber vermittelbar. Ein Großteil "seiner Jungs" ist in gering bezahlten McJobs tätig, sagt Raber. "Was alle verhindern wollen, ist, von der Mindestsicherung leben zu müssen."

Wirtschaft in der Verantwortung

Man könne nicht alles an die Politik abwälzen, sagt Eva-Maria Huysza, Personalleiterin bei Dimension Data. Im Unternehmen habe es nach den gestiegenen Ankünften von Flüchtlingen den Wunsch gegeben, soziale Verantwortung zu übernehmen. "Wir in der Wirtschaft können auch unseren Teil tun", sagt Huysza. Letztes Jahr habe man Jugendlichen aus sozial schwachen Schichten ein sechsmonatiges Traineeprogramm ermöglicht und sehr gute Erfahrungen damit gemacht, nun läuft die Planung von fünf bis zehn Lehrstellen inklusive intensiver Betreuung für Flüchtlinge.

Auch der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, wies Anfang der Woche darauf hin, vermehrt junge Asylwerber als Lehrlinge aufzunehmen. Die Flüchtlingsbewegung sieht er generell positiv: Nur über Bevölkerungswachstum könne Wirtschaftswachstum entstehen. (Lara Hagen, 20.10.2015)