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Wer stellt hier die Fragen? Die Universität Wien und alle ihre Nebengebäude wurden im Zeichen des Jubiläumsjahrs beflaggt. Ausstellungen, Konferenzen, auch eine 650-Jahre-Straßenbahn und viel Werbung erzeugten den Eindruck des allgegenwärtigen Jubiläums.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Es sind schon die Kleinigkeiten, an denen man sich erfreuen kann: Im Laufe des Jahres wurde zweimal in der ORF-Millionenshow die Frage gestellt, welche Universität heuer ihr 650-Jahr-Jubiläum feiert. "Und beide Male wussten die Kandidaten die Antwort", frohlockte am Dienstag Heinz Engl, Rektor der Universität Wien, anlässlich der Bilanz zum "650-Jahr-Jubiläum" des Hauses. Engl wertete das Wissen selbstverständlich nicht als Signal für plötzlich aufkommende Wissenschaftsfreundlichkeit in der österreichischen Bevölkerung. Es schien ihm vielmehr eine willkommene Anekdote zu sein: Die Anstrengungen, die Universität und ihre große, 650-jährige Geschichte bekannt zu machen, dürften sich gelohnt haben.

Drei Millionen Euro Budget wurden für das Jubiläum aufgewendet, eine Million kam aus zusätzlichen Sponsoreinnahmen: Natürlich kann man den Werbewert von derartigen Aktivitäten auch ganz professionell darstellen: Das Jubiläum hat laut einer Untersuchung von APA-Defacto einen Werbewert von über elf Millionen Euro gehabt. Dazu beigetragen haben mehr als 100 Jubiläumsveranstaltungen, etwa 130 Tagungen und Konferenzen und einige gelungene Ausstellungen, die die wechselvolle Geschichte im Fokus hatten: "Bedrohte Intelligenz" beschrieb den Leidensweg von Opfern der Uni-Nazifizierung. Die Schau "Der Wiener Kreis – Exaktes Denken am Rande des Untergangs" (noch bis 31. 10. im Hauptgebäude der Uni, Mo-Sa 10-18 Uhr) stellt den Einfluss von Denkern wie Moritz Schlick auf die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts dar.

Die Bilanz des Jubiläumsjahres durfte natürlich nicht ohne den ORF über die Bühne gehen, der in seinen wissenschaftsaffinen Programmen von Ö1 und ORF 3 einige Sendungen zum Jubiläum brachte. Fernsehdirektorin Kathrin Zechner sah eine gewisse Verwandtschaft mit der Universität aufgrund des Bildungsauftrages und der "Vermittlung komplexer Inhalte". In den beiden meistgesehenen Fernsehprogrammen gab es neben den Millionenshow-Fragen und einem Tatort, der am Hauptgebäude der Universität spielt, auch eine Tanzeinlage während des weltweit übertragenen Neujahrskonzerts, die an der Universität aufgenommen wurde. Auch das dürfte den Werbewert in der vorliegenden Rechnung nicht unwesentlich erhöht haben.

"Vorarbeiten zum Beamen"

Zechner huldigte der Geschichte der Universität von der Entdeckung der Blutgruppen durch Karl Landsteiner "bis zu jenen Physikern, die für ihre Vorarbeiten zum Beamen Weltruhm erlangt haben." Gemeint war damit der Quantenphysiker Anton Zeilinger, heute Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der seit einer gelungenen Quantenteleportation in den 1990er-Jahren von Medien "Mr. Beam" genannt wird.

Kein großer Veranstaltungsreigen ohne nachhaltige Ideen: Auch die sieht Uni-Wien-Rektor Engl umgesetzt. Mit finanzieller Unterstützung der Raiffeisen Holding NÖ-Wien wird die bestehende "Grüne Schule" im Botanischen Garten der Universität Wien, die für die Öffentlichkeit Wissensvermittlung in Sachen Artenvielfalt betreibt, zu einem Life & Science Camp ausgebaut. Das "Future Lab" will Engl auch weiterführen – in Form von Filmen, die Wissenschafter und ihre Arbeit präsentieren, aber nicht notwendigerweise, wie der Name suggeriert, etwas mit zukünftigen Technologieanwendungen zu tun haben.

Schließlich hat die Universität Wien anlässlich des Jubiläums auch begonnen, den in den vergangenen Jahrzehnten traurigen Umgang mit den Leistungen ihrer Wissenschafterinnen zu ändern: Im Arkadenhof stehen derzeit 154 Steinbüsten. Nur eine davon zeigt eine Frau: Marie von Ebner-Eschenbach. Deshalb hat man einen Kunstwettbewerb zur "Ehrung von Wissenschafterinnen" an diesem Platz ausgeschrieben. Die Siegerprojekte werden am 28. Oktober präsentiert.

Damit man als Besucher der Universität beim Durchgehen nicht mehr glaubt, in einer längst vergangenen Zeit ohne Frauen an Hochschulen zu sein. Seit 1897 sind sie zum Studium zugelassen. Heute liegt der Frauenanteil bei Studierenden bei ca. 60 Prozent, bei den Professuren freilich nur bei 27 Prozent. (Peter Illetschko, 21.10.2015)