Vorweg ein Lob an die Polizei. Was sich momentan in der Steiermark an der Grenze zu Slowenien abspielt, ist kein Picknick. Da kommen täglich tausende Menschen an. Sie sind hungrig, erschöpft, sie haben – davon kann sich jeder überzeugen, der hinfährt – zu einem großen Teil kleine Kinder dabei. Polizei und Bundesheer versuchen diese Massen an Menschen in Quartiere zu bringen und mit dem Notwendigsten zu versorgen. Die Zivilbevölkerung und Hilfsorganisationen helfen ebenso. Es ist für alle eine echte Herausforderung. Aber es ist zu schaffen. Das betonen alle, die mithelfen.

Doch die Polizei hat noch andere Aufgaben. Sie muss auch noch wegen haltloser Gerüchte, oder sagen wir es weniger euphemistisch, wegen Lügen Dienstzeit vergeuden. Lügen über Plünderungen, Lügen über gewalttätige Flüchtlinge. Dass das bewusste Streuen von Gerüchten strafrechtlich relevant ist, scheint deren Verfasser nicht zu beunruhigen. Der Schwager einer Freundin hat eine Mutter, die kennt jemanden … Sie haben sicher auch schon Geschichten gehört, die so beginnen. Wenn am Ende der Geschichte eine Straftat steht und sie zufällig Polizeibeamter sind, müssen sie ihr nachgehen. Die Polizei klagt bereits über den Mehraufwand, den falsche Gerüchte verursachen.

Und was machen derweil unsere Verantwortungsträger? Was machen also jene, die wir mit Steuergeld dafür bezahlen, Lösungen zu bieten und kühlen Kopf in Krisen zu bewahren? Der Landeshauptmann der Steiermark, Hermann Schützenhöfer, warnt zum Beispiel vor drohender "Explosion", spricht von "Chaos" und davon, dass man "nicht mehr Herr der Lage" sei, während die Polizei in seinem Bundesland davon nichts weiß.

Seine christlichsoziale Parteifreundin Johanna Mikl-Leitner, ihres Zeichens Innenministerin, beschwört indes im Boulevard Schreckliches herauf: "Flüchtlinge panisch, mit Gewalt ist zu rechnen." Der Polizeisprecher vor Ort sagt fast zeitgleich über Flüchtlinge in der Steiermark: "Von diesen Menschen geht keine Gefahr aus." Gegensätzlicher kann man wohl kaum kommunizieren.

In einem Punkt hat die Innenministerin recht: Diese Menschen sind sicher panisch, sonst hätten sie wohl kaum lebensgefährliche Fluchtwege auf sich genommen. Aber ihnen pauschal Gewaltbereitschaft zu unterstellen ist nicht nur unanständig, es ist auch verantwortungslos. Es geht hier nicht um parteipolitische Kleinkrämerei, sondern um nicht weniger als die öffentliche Sicherheit. Vielleicht sollte die Innenministerin mit ihren Mitarbeitern reden – die übrigens rund um die Uhr erreichbar sind – bevor sie Angst und Schrecken verbreitet.

Apropos Polizei. Die durfte sich am Samstag auch vom steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek per Presseaussendung ausrichten lassen, dass die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleistet sei. Dienststellen sollen – immerhin formulierte Kunasek vorsichtig im Konjunktiv – wegen der Flüchtlingsituation geschlossen worden sein. Auch das stimmt schlichtweg nicht.

Es geht auf die Kappe solcher Volksvertreter, wenn sich in der Südsteiermark zurzeit Menschen aus Angst mit Pfeffersprays und Waffen eindecken. Von ausgehungerten, erschöpften Familien, die Schutz suchen, bräuchte man sich jedenfalls nicht zu fürchten. Aber die Politik sollte sich schämen, wenn sie den Flüchtlingen den Versuch, ein besseres Leben zu beginnen, absichtlich erschwert. (Colette M. Schmidt, 24. 10. 2015)