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"Wir brauchen eine gewisse Bescheidenheit, sonst werden sich die Spiele selbst kaputtmachen", sagt Kasper.

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STANDARD: Sie haben kürzlich mit der Aussage, wonach die Abfahrt aus Kostengründen aus dem olympischen Programm zu fallen droht, für Aufregung gesorgt. Was tut die Fis, um das zu verhindern?

Kasper: Nach dem finanziellen Schock von Sotschi wurde darüber diskutiert, die Kosten für die Spiele zu reduzieren. Das ist verständlich, man spricht von 51 Milliarden Dollar, die die Russen ausgegeben haben. Dann hatten wir sieben Kandidaten für Olympia 2022. Fünf zogen aus Kosten- oder anderen Gründen zurück. Daraufhin haben sich die Administratoren, nicht das IOC, die Kosten für die Spiele angeschaut und gesagt: "Was kostet uns am meisten? Das streichen wir einfach." Das waren die Abfahrten, die Bobbahn, die Schanzen, die Langdistanzen im Langlauf und, und, und.

Wir diskutieren derzeit über die Zukunft des olympischen Programms. Ich habe meinen Leuten gesagt, dass wir eine gewisse Bescheidenheit zeigen müssen. Wir brauchen etwa als Startzelt bei der Abfahrt keinen Buckingham Palace. Was man braucht, darauf sollten wir bestehen, aber man sollte es nicht übertreiben. Die Abfahrt ist die Königsdisziplin. Die werden wir nicht streichen. Für mich ist das undenkbar. Aber die Kosten sind hoch. Nicht in Europa, aber in China oder in Korea, wo man die Abfahrtsstrecken von null aufbauen muss. Aber im Vergleich zum Eissport sind wir immer noch billig.

STANDARD: Das Starthaus dürfte kein großer Faktor sein. Wo kann man bei der Abfahrt wirklich Kosten einsparen?

Kasper: Es sind immer diese Zusatzsachen, die jede Menge Geld kosten. Die Abfahrt in Korea ist hervorragend, auch wenn viele Bäume gefällt wurden. Aber wir müssen sagen, jetzt genügt's. Wir haben die Anlage, da können wir Spiele ausrichten. In Eisstadien reichen 15.000 statt 100.000 Zuschauer. Es gibt ohnehin Fernsehübertragungen. Wir brauchen eine gewisse Bescheidenheit, sonst werden sich die Spiele selbst kaputtmachen. Der Gigantismus wird uns auffressen. Nicht nur im Winter, im Sommer noch viel mehr.

STANDARD: Können Sie garantieren, dass die Abfahrt bei den nächsten drei, vier Winterspielen noch dabei sein wird?

Kasper: Ich möchte sagen, es wird keine Olympischen Spiele ohne Abfahrten geben. Die Königsdisziplin streicht man nicht raus. Diese Gerüchte haben provoziert, und ich bin froh, dass ich provoziert habe. Dadurch werden unsere Leute in den Ansprüchen wieder normal.

STANDARD: Warum werden die Spiele überhaupt an Orte ohne Wintersporttradition vergeben?

Kasper: Wir können die Spiele nur dorthin vergeben, wo man sie auch will. Wir brauchen Organisatoren. Und im Moment kommen diese aus Asien. Dort ist man bereit zu investieren. Natürlich sind uns die Kernländer sehr wichtig. Ich bin überzeugt davon, dass wir 2026 in ein Kernland zurückkehren werden. Das können die USA sein, das kann Europa sein.

STANDARD: Den Europäern sind die Winterspiele schlichtweg zu teuer geworden.

Kasper: Wie gesagt, das ist der Sotschi-Schock. Wir reduzieren ja die Kosten. Schon die Bewerbungskosten für 2022 haben wir stark gesenkt. Das ist noch nicht ganz durchgedrungen, wie man bei den Abstimmungen in München, in Norwegen oder in der Schweiz gesehen hat. Die Fifa-Skandale helfen auch nicht, weil man sagt, der Sport sei korrupt.

STANDARD: ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hat Reformvorschläge für die Abfahrt (Sprintabfahrt, andere Startreihenfolge) eingebracht. Was halten Sie davon?

Kasper: Ich finde seine Vorschläge gut. Wir sollten jede Menge Vorschläge diskutieren. Ich hoffe, dass wir Anfang November eine Entscheidung treffen werden.

STANDARD: Manche Weltcups finden vor äußerst bescheidener Kulisse statt. Wie kann man mehr Zuschauer anlocken?

Kasper: Das stimmt, wir sind natürlich sehr oft in abgelegenen Orten. Der Alpinskisport ist kein Sport für das Publikum. Er ist in den vergangenen Jahren zu einem Fernsehsport geworden. Viele Zuschauer im Zielraum sind wunderbar. Das gibt einen Hexenkessel, das gibt Stimmung. Aber mir sind immer noch die Leute, die selbst Ski fahren, lieber als die, die an der Strecke stehen. Nach Val d’Isère oder nach St. Moritz kommen nicht die Massen, damit rechnen wir auch nicht. Dass sich die Leute nicht fünf Stunden ins Auto setzen, um dann die Läufer zehn Sekunden zu sehen, dafür habe ich volles Verständnis.

STANDARD: Wo sehen Sie den Wintersport, angesichts des Klimawandels, in 20 Jahren?

Kasper: Ich hoffe, genau da, wo er jetzt steht. Beim Klimawandel gibt es Auf- und Abwärtsbewegungen. Vielleicht kommt er in 50 Jahren, vielleicht in 100 Jahren. Wir hatten in den vergangenen zehn Jahren einige schlechte Winter, aber auch super Winter. Unsere Hauptangst für den Skisport sind vielmehr die Tendenzen der Leute, Billigferien am Meer statt Skiurlaub zu machen. Andererseits nimmt die Anzahl von Skifahrern weltweit immer noch zu. Wir müssen uns vorläufig um den Wintersport und den Wintertourismus keine Sorgen machen. Aber wir müssen attraktiv bleiben. Ich glaube erst, dass der Skisport keine Chance mehr hat, wenn wir alles in die Halle verlegen. Dann sind wir in meinen Augen fertig.

STANDARD: Sie sind seit 1998 Fis-Präsident. Werden Sie bei der nächsten Wahl 2018 erneut kandidieren?

Kasper: Keine Ahnung. Irgendwann werde ich aufhören. Aber solange ich gut beisammen bin, Lust habe und die Leute mich wollen? Ich hatte bisher mit niemandem Schwierigkeiten. Aber ich heiße nicht Sepp Blatter, das muss ich ganz klar festhalten.

STANDARD: Sie sind seit 1924 erst der vierte Fis-Präsident. Ihr Vorgänger Marc Hodler war 47 Jahre im Amt. Sollte man die Amtszeiten beschränken?

Kasper: Eine gewisse Kontinuität ist nicht schlecht. 47 Jahre sind extrem. Aber die Zeiten haben sich geändert. Man muss innerhalb der entscheidenden Gremien eine gute Mischung von jungen und älteren Leuten mit Erfahrung haben. Wenn diese Mischung stimmt, dann läuft's.

STANDARD: Die Fifa ist im Korruptionsskandal versunken. Was macht die Fis besser als die Fifa?

Kasper: Wir haben eine ganz andere Struktur. Wir haben sehr viele technische Komitees, wo alle Nationen mitreden können. Über die Vergabe der Weltmeisterschaften entscheidet nicht mehr der Kongress mit den nationalen Verbänden, sondern der Fis-Vorstand. Das sind 17 Leute, die sind leichter zu kontrollieren. Das ist keine Garantie, dass es keine Schmiergelder gibt, aber die Möglichkeiten sind viel geringer. Zudem ist die Mentalität bei uns eine ganz andere. Wir sind eigentlich alle Bergbauern. Wir verstehen uns untereinander. Wir haben die ganzen afrikanischen Nationen nicht drin. Die haben eine andere Kultur. Wir haben, wenn wir an Ski alpin denken, vielleicht Diskussionen. Aber dann fährt man miteinander Ski, geht auf eine Berghütte und trinkt etwas. (Birgit Riezinger, 26.10.2015)